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Bistum Dresden-Meißen

... als wäre der Papst nie hier gewesen

Ingrid und Wilfried Behl besuchten in Kuba den Dresdner Pfarrer Michael Bautz

Gespräch mit Bischof González Bacallao: v.l.: Wilfried und Ingrid Behl, Generalvikar und Bischof

Dresden / Mantua (tdh) -Am Ende einer Kubarundreise besuchten Ingrid und Wilfried Behl kürzlich den Dresdner Pfarrer Michael Bautz, der seit sieben Jahren Pfarrer in der Diözese Pinar del Rio ist:

An der Endstation des Touristenbusses in Havanna steigen wir in das Fahrzeug von "Padre Miguel" um. Die Autobahn nach Pinar del Rio ist kerzengerade und fast leer, da es kaum Treibstoff gibt. Ab und zu sehen wir uralte Straßenkreuzer aus der Zeit vor der Revolution. Wir überholen rostige Lkw, die den Personennah- und -fernverkehr sicherstellen: Auf den Ladeflächen stehen Einheimische zusammengepfercht. Am Autobahnrand fahren Pferdefuhrwerke, Ochsengespanne und Radler, die uns manchmal als Geisterfahrer entgegenkommen oder den Mittelstreifen überqueren. Hunderte von Anhaltern, besonders unter schattigen Brücken, werden betreut und dirigiert von gelb angezogenen Frauen und Männern. Sie tragen die Namen der Wartenden und ihre Ziele in Listen ein und sind berechtigt, staatliche Autos, erkennbar an blauen Nummernschildern, anzuhalten und zur Mitnahme zu verpflichten.

Unser erstes Ziel ist der Bischof von Pinar del Rio. Am Tag zuvor ist er 74 geworden. Schaukelstühle werden zusammengerückt, dann gibt es den vorzüglichen obligatorischen Kubakaffee. Rundum Vogelgezwitscher. An den Wänden hängen mehrere Vogelkäfige. Kubaner lieben die Vögel. Wir kommen auf den Papstbesuch von 1998 zu sprechen. Ja, kurze Zeit danach habe es Erleichterungen gegeben, da habe auch der Padre sein Auto erwerben und es dem Bischof überschreiben können. Inzwischen haben Fidel Castro, die Staatspartei und die Staatsführung angeordnet, man habe sich so zu verhalten, als ob es den Papstbesuch nie gegeben habe. Wir erzählen, dass wir in Trinidad Papstbilder außen an Haustüren gesehen haben. Der Bischof will es nicht glauben.

Keine Missionare, keine Autos, kein Baumaterial

Die Diözese Pinar del Rio hat am meisten unter den Repressalien des Staates zu leiden. Das Bischöfliche Amt gibt alle zwei Monate die leicht kritische Zeitschrift Vitral heraus. Der Bischof wurde deshalb in letzter Zeit bereits zweimal auf der Titelseite der Parteizeitung in Großaufnahme gebrandmarkt.

Wegen Vitral bekommt die Diözese keine Missionare, keine Autos, kein Baumaterial. Anderen Diözesen geht es etwas besser, meint der Bischof. Sekten dagegen werden vom Staat sehr gefördert. Sie sind für den Staat die stärkste Waffe gegen die katholische Kirche. Das tut weh.

Als Zweites zeigt uns der Padre in einem Slumgebiet sein Kinderhaus, in dem 40 Kinder ab dem ersten Lebensjahr betreut werden und auch ein einfaches Mittagessen bekommen. Laut Gesetz darf nur der Staat Kindergärten errichten, eine Betreuung dagegen ist jedermann gestattet. Wir sind spät dran. Einige Kinder sind noch nicht abgeholt. Sie sind müde und sitzen still nebeneinander auf einer Bank. "Womit beschäftigen sich die Kinder den ganzen Tag?", wollen wir wissen. Die Betreuerinnen zucken mit den Schultern. Spielzeug können wir nirgends entdecken.

Der Priester wohnt unter dem Kirchendach

Es ist schon dunkel, als wir endlich unser Ziel, die Kirche in Mantua, erreichen. In Kuba wohnen die Priester zumeist auf dem Dachboden des Kirchengebäudes. Staatssicherheit und Polizei, die ihre Stützpunkte genau der Kirche gegenüber haben, observieren uns und das, was wir aus dem Auto laden. Unser Padre hat uns für einige Tage seinen bescheidenen Schlaf- und Wohnraum überlassen und ist derweil in die Sakristei gezogen. 1962 wurden in Kuba Lebensmittelkarten eingeführt. Zurzeit gibt es pro Person im Monat drei Kilo Zucker, drei Kilo Reis, drei Eier, ein Viertel Liter Öl als einziges Fett und ein Stück Seife, das reichen muss zur Reinigung von Körper, Haaren und der Wäsche. Milch gibt es nur für Kinder bis zum siebten Lebensjahr. Täglich bekommt jeder Kubaner ein einziges kleines Brötchen, faustgroß. Verhungern im wahrsten Sinne des Wortes muss niemand. Seit über 20 Jahren erhalten die Menschen in Kuba den gleichen Lohn, wenn sie Glück haben, 15 Euro im Monat, meistens aber nur acht Euro. Ein Shampoo kostet im Devisenladen 2,25 Euro. Überall wird versucht zu stehlen. Dies ist eine Art Notwehr, ein Ausbruchsversuch aus der Armut.

"Jesus ist unsere Hoffnung"

Was der Padre unbedingt für sich und für die Kirche braucht, muss er neben dem Bett und auf den Schränken lagern: Werkzeug, Nägel, Farbeimer ...Griffbereit braucht man Taschenlampen und Kerzen: Zu allen Nacht- und Tageszeiten wird der Strom plötzlich stundenlang abgeschaltet. Die Apotheken sind fast leer. Der Staat hat keine Devisen, um Arzneimittel im Ausland zu kaufen. Im Land werden meist nur pflanzliche Präparate hergestellt. ... als wäre der Papst nie hier gewesen Ingrid und Wilfried Behl besuchten in Kuba den Dresdner Pfarrer Michael Bautz Jeder Kubatourist darf zehn Kilo Medikamente ins Land bringen. Wir haben das gemacht. Auch ein bis zwei Kilo wären bereits eine große Hilfe. Die Kirche kann die Arzneien verlässlich an kranke Menschen ausgeben.

Wir können den Padre zu seinen Außenstationen begleiten. Eine Stunde vor Gottesdienstbeginn ist Katechese, heute für die Alten. Eine Frauengruppe sucht Gottesdienstlieder aus und singt manche davon durch. Viele Leute, die vorzeitig in die Kirche kommen, gesellen sich zu ihnen. Die Kinder drängen sich alle um den Padre, um ihn zu begrüßen. Neuankömmlinge umarmen die bereits Anwesenden und unterhalten sich lebhaft. Bis kurz vor Gottesdienstbeginn hat sich der Kirchenraum gefüllt. Die kleineren Kinder drücken sich in die Bänke zu ihren Müttern. Auf einmal wird es ganz still. Der Gottesdienst beginnt mit einem Lied. "Jesus es nuestra esperanza" predigt der Padre. "Jesus ist unsere Hoffnung."

Nach dem Gottesdienst werden wir zusammen mit dem Padre von einer Familie zum Essen eingeladen. Es gibt meistens "Mauren und Christen", schwarze Bohnen und Reis. Unsere Gastgeber geben immer freudig das, was sie haben. Jesus ist unsere Hoffnung! So eindringlich habe ich diese Worte noch nie gehört. Sie lassen mich auf der nächtlichen Rückfahrt nach Mantua nicht los.

Für seinen Lebensunterhalt braucht der Padre im Monat knapp 50 Euro. Sein restliches deutsches Gehalt fließt in die Pastoral und in die Häuser der Ärmsten. In Mantua zum Beispiel bekommen 500 Schulkinder jeden Tag vor der Schule eine Tasse heiße Schokolade. Diese wird in bestimmten ausgesuchten Häusern aus Kakao und Milchpulver zubereitet. Die Kinder wissen genau, wo sie auf dem Schulweg ihr Getränk trinken können. Nach ähnlichem Prinzip funktioniert auch die Armenspeisung in einem Vorort.

Pfarrer Bautz will Mantua nicht im Stich lassen

Viele Initiativen hat Michael Bautz ergriffen. Im April wird er 65. Würde sich ein jüngerer dynamischer Priesternachfolger finden, ließe er sich zur Rückkehr nach Deutschland überreden. Doch er will die Menschen in Mantua nicht ohne Priester zurücklassen. Jesus es esperanza! Welche Hoffnung sollten sie sonst haben?

Wer Pfarrer Michael Bautz unterstützen möchte, erhält nähere Informationen im Pfarramt Herz Jesu in Dresden-Johannstadt, Telefon (0351) 449 480.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 5 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 14.03.2005

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