"Ich muss mich entscheiden"
Der Magdeburger Altbischof Leo Nowak erzählt von seinem persönlichen Glaubensweg
Der Magdeburger Altbischof Leo Nowak hat sein Leben in der Diaspora verbracht. Im folgenden Beitrag spricht der gebürtige Magdeburger darüber, warum er gläubiger Christ geworden und geblieben ist, obwohl viele Menschen um ihn nicht an Gott glauben.
Als Bischof hat Leo Nowak in Firmgottesdiensten oft erzählt, wie er sich als Jugendlicher mit dem Glauben auseinandergesetzt hat. "Nach dem Krieg habe ich bis zum Abitur noch zwei Jahre auf einer DDR-Schule verbracht", so Nowak. "Unser Gegenwartskundelehrer versuchte immer wieder, den Glauben an Gott zu widerlegen. Beeindruckend verstand er es, die dunklen Seiten der Kirchengeschichte aufzuzeigen. Er erinnerte daran, dass die Kirche mit dem Schwert missioniert, Frauen als Hexen verbrannt, wissenschaftliche Erkenntnisse bekämpft hat. Ein fortschrittlicher Mensch brauche keine Religion. Die neue sozialistische Zeit habe solchen Köhlerglauben längst widerlegt, betonte er stets. Und wollte damit vor allem uns, die wenigen Schüler attackieren, die zur Kirche hielten."
Was ist wahr? Existiert Gott oder existiert er nicht?
Wer hat Recht, sei damals seine Frage gewesen, so der Altbischof. Die Eltern, die Kirche, der Lehrer? Was ist wahr? Existiert Gott oder existiert er nicht, habe er sich gefragt und entschlossen, Theologie zu studieren mit dem Ziel, herauszufinden, was Sache ist. Und wenn Gott existierte, wollte auch er sich für die Verbreitung des Glaubens einsetzen. "Je länger ich studierte, desto klarer wurde mir, dass meine Fragen gar nicht so leicht zu beantworten sind", sagt Nowak heute. "Der Glaube ist nicht nur eine Sachse des Verstandes, sondern hat eine personale Dimension. Die Frage lautet nicht nur: Wie kann ich glauben, sondern: Wem kann ich trauen, wer ist glaubwürdig? Deshalb fordert Jesus: ,Glaubt an Gott und glaubt an mich ...' (Joh 14,1) Dieses Wort hat mich mein ganzes Leben nicht mehr losgelassen", sagt Nowak.
Bei der Beantwortung seiner Fragen habe ihm das Studium des Neuen Testaments sehr geholfen. Vor allem habe ihn interessiert, was die biblische Wissenschaft über den historischen Jesus sagen kann. Aber: "Letztlich geht es auch dabei um die Frage, ob die Personen, die von Jesus berichten, glaubwürdig sind, und ob ich Jesus Christus glauben kann."
Wenn er nicht in einer Gemeinde groß geworden wäre und darin überzeugende Menschen kennen gelernt hätte, hätte er vermutlich nie etwas von Jesus Christus gehört, vermutet Nowak. "Die Kirche bringt trotz aller Schwächen bis heute Menschen mit Jesus Christus in Verbindung. Ohne sie wäre der Glaube schon längst abhanden gekommen." Zweifel und kritische Fragen brauche niemand unter den Teppich zu kehren, so der emeritierte Bischof. Aber: "Wir sollten auch uns selbst gegenüber kritisch sein. Wenn wir Kirche und Glauben oft und gern kritisieren, muss selbst ein wohlmeinender Gesprächspartner vermuten, dass wir selbst nicht allzu viel davon halten. Ein Grund dafür, dass wir uns immer wieder an einer bewussten Glaubensentscheidung vorbeidrücken, ist auch, dass wir instinktiv spüren: Das hätte Konsequenzen für mich", ist der langjährige Seelsorger überzeugt. "Sobald eine Sache persönliche Folgen hat, ist es oft mit der anfänglichen Begeisterung vorbei."
"Die Entscheidung, Jesus Christus zu vertrauen, ist nicht nur einmal zu treffen", sagt Nowak. "Zur Übernahme des Bischofsamtes etwa hätte ich nicht Ja sagen können, ohne mir klar zu machen, dass ich es im Vertrauen auf Gott übernehmen kann, obwohl es bessere Kandidaten gegeben hätte. " In einem solchen Vertrauen habe er versucht, Christ zu werden und zu sein. "Die vielen Menschen um mich herum, die mit Gott und Glauben angeblich nichts anzufangen wissen, sind für mich eine ständige Herausforderung nach der Glaubwürdigkeit des eigenen Glaubens zu fragen", sagt der Altbischof weiter. "Ich habe jedoch keine bessere Antwort gefunden als Jesus Christus. Da liegt es auf der Hand, dass ich diesen Glauben anderen mitteilen möchte. Deshalb bin ich wohl auch Priester geworden."
Die Formen des Glaubens werden sich immer ändern
Er sei überzeugt, dass Glaube und Kirche Zukunft haben. "Die Formen des Glaubens werden sich immer wieder ändern müssen. Neue Wege müssen gesucht und gegangen werden. Die Umstände werden zu einer noch stärkeren Besinnung und Umkehr zwingen. Letztlich aber bleibt entscheidend, wie ich mich zu Jesus stelle."
Nicht die Zahl der Glaubenden werde künftig entscheiden, sondern die Qualität des Glaubens, ist Leo Nowak überzeugt. "Insofern bin ich sehr froh über das Leitwort unseres Pastoralen Zukunftsgespräches: 'Wir wagen den Aufbruch.' Wir wollen eine Kirche sein, die sich nicht selbst genügt, sondern die allen Menschen Anteil an der Hoffnung gibt, die uns in Jesus Christus geschenkt ist."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 14.03.2005