Chance für Kinder, Eltern und Erzieher
Halle erhält eine katholische Grundschule
Halle (ep) - Am Anfang stand der Wille einer Reihe von Eltern: "Wir möchten in Halle eine Grundschule in katholischer Trägerschaft gründen." Das Bistum Magdeburg erklärte sich bereit, den Elternwillen aufzunehmen und trotz begründeter Einwände von halleschen Seelsorgern eine entsprechende Schule zu errichten. Inzwischen ist es soweit: Zum Schuljahresbeginn öffnet die katholische St. Franziskus-Grundschule ihre Pforten. (Der Tag des Herrn berichtete.) Als Schulräume sollen zunächst Container dienen, die auf dem Gelände der Pfarrei Dreieinigkeit aufgestellt werden.
"Wir möchten, dass unsere Kinder in einer Atmosphäre aufwachsen, in der christliche Feste begangen werden, gebetet und ein guter Umgang gepflegt wird, wie es in unserer Kindertagesstätte geschieht", sagt Mitinitiatorin Constance Becker, deren Sohn Fabian 2002 in die neue Schule gehen soll. "Wir wünschen uns eine Schule, in der unsere Kinder zur Selbstständigkeit erzogen werden und an der wir uns als Eltern aktiv einbringen können", ergänzt Ronald Krauße, ebenfalls Vertreter der Initiatoren.
Dietmar Gotzhein, Leiter des Bischöflichen Schulamtes in Magdeburg, hat dafür viel Verständnis: "Als Kirche wollen wir gerade jungen Leuten Mut machen zur Ehe, zur Familie, zu Kindern und zum Hierbleiben in den neuen Bundesländern", sagt der Schulfachmann. In den Gemeinden Halles sind die Initiatoren der Grundschule nicht nur auf Zustimmung gestoßen: "Ein Teil von uns Priestern und Mitarbeitern, aber auch Eltern sind der Meinung, dass wir unsere Kinder - bildlich gesprochen - nicht unter eine große Glocke stellen und eine Mauer um sie und uns errichten sollten", sagt Propst Joachim Weber. "Zu DDR-Zeiten haben sich Kinder und Familien gerade in den staatlichen Schulen als katholische Christen bewährt und den Glauben bezeugt." Ein Teil der Seelsorger frage sich zudem, ob es sich die kleine Magdeburger Kirche finanziell leisten könne, noch eine Schule zu eröffnen. Entscheidender Grund, dennoch der Eröffnung zuzustimmen, sei für ihn die verfehlte Schulpolitik in Sachsen-Anhalt, so der hallesche Propst. Er meine damit etwa die ab neuem Schuljahr geplante "Grundschule mit festen Öffnungszeiten" oder die Praxis, dass Kinder, die Abitur machen wollen, erst ab Klasse 7 das Gymnasium besuchen dürfen (Förderstufe) und deshalb 13 Schuljahre absolvieren müssen.
"Es geht uns nicht darum, unsere Kinder vor der Realität in den staatlichen Schulen abzuschotten oder uns als christliche Eltern zurückzuziehen", sagt Frau Becker auf die Einwände. "Wir können sie auf Dauer auch nicht vor der Begegnung mit Drogen bewahren. Wir möchten aber, dass sie in jungen Jahren eine Erziehung erfahren, die von einem christlich geprägten Miteinander von Kindern, Erziehern und Eltern geprägt ist, um sie so stark zu machen." Edith Geuther, Leiterin der Kindertagesstätte Don Bosco der Pfarrei Dreieinigkeit (74 Kinder) und engagiert bei der Grundschulgründung dabei, kann das nur unterstreichen. "Im Kindergartenalter, aber auch in den ersten Schuljahren werden wesentliche Grundlagen gelegt", sagt sie. Frau Geuther ist empört "über die Art und Weise, wie den Eltern in Sachsen-Anhalt die ,Grundschule mit festen Öffnungszeiten' per Gesetz übergestülpt werden soll". Danach haben die Schüler die Pflicht, fünfeinhalb Stunden in der Schule zu verbringen. Die Zeit soll durch Unterricht, aber auch andere Angebote gefüllt werden. "Viele Eltern werden nichts gegen klar festgelegte Zeiten haben", sagt Frau Becker. "Aber dass es der einzelnen Schule überlassen bleiben soll, wie intensiv die Zeit genutzt wird, und dass Eltern darauf kaum Einfluss, aber auch nicht die Möglichkeit haben, ihr Kind nur den Unterricht mitmachen zu lassen, finden wir nicht gut". Und dies, zumal Eltern größerer Kinder immer wieder die Erfahrung machen, dass sich das Engagement mancher Pädagogen eher auf das Notwendige beschränkt, wie Ronald Krauße und Andreas Sobbe, ebenfalls Mitinitiator der Grundschule, betonen. Bleibe abzuwarten, was der Antrag auf einstweilige Verfügung gegen das Inkrafttreten des Gesetzes bringt.
Weil es sich um eine Schule in freier Trägerschaft handelt, hat es seitens des Landes keine Probleme mit der Schulgründung gegeben, zumal sich der reformpädagogische Ansatz einer Adaption des Marchthaler Planes in der Magdeburger St. Mechthild-Grundschule bewährt hat, wie Dietmar Gotzhein sagt. Die Kosten für die neue Schule muss bis zu ihrer Anerkennung als staatlich anerkannte Ersatzschule in zwei Jahren zu 100 Prozent das Bistum tragen. Die Unterbringung in Containern werde als "teure Notlösung" in Kauf genommen, bis hoffentlich bald ein angemessenes freies Schulgebäude gefunden ist, sagt Gotzhein. Eine enge Anbindung an die Pfarrgemeinde Dreieinigkeit und an das katholische St. Elisabeth-Gymnasium (gegründet 1991, ab 5. Klasse) ist gewollt. So werden die Kinder beispielsweise Turnhalle und Aula des Gymnasiums mit nutzen.
Die Gründungseltern sind bereit, für die Schule einiges einzusetzen: Die einen werden zur Erfüllung der baulichen Auflagen der Behörden tatkräftig mit Hand anlegen. Andere wollen bei der Beschaffung der Unterrichtsmittel helfen. Die Eltern werden ein monatliches Schulgeld von 90 Mark (Geschwister die Hälfte) entrichten, wobei es für Kinder aus Familien mit geringen Einkünften verträgliche Lösungen geben soll. Während ein halbes Dutzend Eltern, die sich zunächst auch für das Projekt interessiert hatten, ihre Kinder in eine andere Schule gibt, setzten die Initiatoren große Hoffnungen in den Start. Schulleiterin Iris Wiese will die Mädchen und Jungen von Anfang an "zu selbstständigem Arbeiten anleiten, freie Stillarbeit anbieten, aber in Fächern wie Mathematik durchaus fachkonzentriert arbeiten". Dabei sollen "alle Sinne einbezogen und fächervernetzt gelernt" werden. Nichtchristliche Kinder sind willkommen. Das Fach Religion wird Bestandteil des Unterrichts sein.
Dass es nun nur neun Kinder sind, die am 11. August in die St. Franziskus-Grundschule eingeschult werden, sieht Schulamtsleiter Gotzhein gelassen: Die katholische Grundschule in Magdeburg habe 1999 mit 13 Schülern begonnen. Drei Monate später hätten bereits 19 Mädchen und Jungen die Schule besucht.
Weitere Infos: Tel. (03 45) 4 44 12 13, Frau Edith Geuther.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 11.07.2001