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Auf zwei Minuten

Ostererfahrungen

Ein Beitrag von Pater Damian Meyer

Pater Damian

Die Kreuzigung Jesu ist ein historisch greifbares Geschehen in Raum und Zeit, für das es auch außerbiblische Zeugnisse gibt und das viele Leute, auch die Gegner Jesu, miterlebt haben. Die Auferweckung Jesu aber und die Frage nach der Heilsbedeutung seines Todes ist ein "Überschrittsereignis": Es übersteigt unsere raum-zeitliche Erfahrung. Daher kann es auch keine historischen oder naturwissenschaftlichen Beweise für die Auferweckung Jesu geben. Die Erfahrung der Auferstehung Jesu ist nicht das Produkt von theologischen Überlegungen, sondern wider alles Erwarten und wider alle Hoffnung eingebrochen in das Leben der Jünger. Diese Erfahrung wird von Gott geschenkt. Sie widerfährt den Jüngern und verwandelt sie. Sie haben das Zeugnis: "Der Gekreuzigte ist der Lebendige" durch die völlige Veränderung ihres Lebens und durch den Einsatz ihres Lebens bewahrheitet. Diese Erfahrungen tragen in den Ostergeschichten der Evangelien Namen wie: Erscheinungen, Begegnungen, Sehen des Herrn, Erkennung, Offenbarung. Die Emmausgeschichte ist kein reiner Tatsachenbericht. Hier ist die reale Ostererfahrung der Jünger anschaulich zusammengefasst: Dass er sich gezeigt hat; dass sie neu gelernt haben, wie er jetzt für sie da ist; dass er sie in ihrem zögerlichen Glauben in persönlichen Begegnungen von ihrer Blindheit geheilt hat. Vielleicht spielt die Emmausgeschichte eine Generation später, damals, als Lukas sein Evangelium schrieb. Also spielt sie auch heute, in unserer Generation? Dann ist es eine Weggeschichte, ein Modellfall für das, was geschieht, wenn Menschen zum Glauben an den Auferstandenen kommen: "Die lukanische Weggeschichte nimmt sich schon fast wie eine Parabel aus, eine Beispiel-Erzählung also. Sie will die Augen dafür öffnen, wie sich in dieser Ostererzählung unsere eigene Weggeschichte und Wegsituation darstellt, wie der Weg nach Emmaus quer durch die Zeiten sozusagen vor unserer eignen Haustür beginnt" (Johannes Riedel).

Wie beginnt denn der Weg "vor unserer eigenen Haustür"? Sind es nicht oft Wegstrecken voller Dunkelheit, voller Leid und Enttäuschung, von Schuld und Versagen, von begrabenen Hoffnungen? Und wer dann erfährt, dass er nicht allein unterwegs ist, sondern dass einer mitgeht, der ihn versteht und ihm die Augen öffnet für Auswege aus seinem Elend, der macht eine Emmauserfahrung. Ein Hinweis: Die Emmausgeschichte in ihren drei Etappen spiegelt in verdichteter Form die Gottesdiensterfahrung der Kirche. Das Schriftgespräch entspricht unserem Wortgottesdienst. Die gastfreundliche Einladung an den Fremden zum Essen und Übernachten weist auf unsere Fürbitten und auf die Kollekte hin, in der wir für andere etwas abgeben. Und das gemeinsame Mahl entspricht dem Hochgebet und dem Kommunionteil der Messe. So wird unser Gottesdienst zu einer Begegnung mit dem Auferstandenen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 12 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 24.03.2005

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