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Bistum Magdeburg

"Hartz IV -für so manchen wirklich hart"

KAB-Diözesanvorsitzender Ullrich stellte die neue Gesetzgebung in Bernburg vor

Matthias Ullrich: Er ist seit September 2004 KAB-Diözesanvorsitzender.

Bernburg / Magdeburg (ep) -"Hartz IV wird für so manchen Betroffenen wirklich hart. Die Zahl der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wird zurückgehen. Außerdem berücksichtigt das neue Gesetz nicht mehr den Status des Betreffenden vor Eintritt in die Arbeitslosigkeit. Das heißt, der größte Teil der Arbeitslosen wird nach einem Jahr ohne Job Arbeitslosengeld (ALG) IIEmpfänger mit staatlichen Leistungen auf Sozialhilfeniveau. So können auch Menschen mit einem derzeit vermeindlich sicheren Broterwerb diese Gefahr nicht von sich weisen, und es wird demnächst mehr Betroffene geben, als man denkt." Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt der Diözesanvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Matthias Ullrich (41) nach einer kritischen Durchleuchtung der so genannten Hartz-Gesetze. Diese stellte der Rechtsanwalt bei einer KABVeranstaltung in Bernburg am 15. Januar vor.

Fördern und Fordern sollen die Maximen der Hartz-Gesetzgebung sein. Doch den Regelungen liegt nach Ansicht des KAB-Diözesanvorsitzenden vor allem der Gedanke zugrunde, Langzeitarbeitslose hätten bislang zu wenig unternommen, um wieder Arbeit zu bekommen, und sich in den Sozialsystemen ausgeruht. "Deshalb", so Ullrich, "wurden mit den Hartz-Gesetzen Vorschriften mit heißer Nadel gestrickt, die das Fordern größer als das Fördern schreiben." Ergebnis: "Viele Vorschriften sind verfassungsrechtlich mindestens zweifelhaft", ist der Jurisit überzeugt.

So etwa die Regelung nach der die Höchstbezugszeit von Arbeitslosengeld I ab dem 1. Februar 2006 auf zwölf Monate (für Personen über 55 Jahre auf 18 Monate) reduziert wird. Ein 52- jähriger Arbeitsloser, der 30 Jahre gearbeitet hat und nach dem Stichtag arbeitslos wird, habe danach nur noch Anspruch auf zwölf Monate Arbeitslosengeld statt wie nach der alten Regelung auf 26 Monate. Er steht damit genauso da wie ein 22-Jähriger, der erst zwei Jahre gearbeitet hat. Dem steht nach Angaben des Juristen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1986 entgegen, in dem das höchste deutsche Gericht festgestellt hat, dass Anspruch und Anwartschaft auf Arbeitslosengeld unter dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes stehen.

"Es wird immer gesagt, dass die bisherigen Sozialhilfeempfänger von den neuen Bestimmungen profitieren", sagte Ullrich weiter. "Das sehe ich nicht." Die Regelsätze für die Betroffenen seien zwar zirka 50 Euro höher, aber nach den alten Bestimmungen hatten die Sozialhilfeempfänger hinsichtlich der Hilfen zum Lebensunterhalt Anspruch auf laufende und einmalige Leistungen. So habe es insbesondere für Gegenstände, die für einen längeren Gebrauch vorgesehen sind, wie zum Beispiel eine Waschmaschine, zusätzliche Mittel gegeben. Oder auch der Kauf von Lernmitteln und Schulbedarf sei zusätzlich unterstützt worden.

Arbeitslosengeld II ist nicht besser als Sozialhilfe

"Künftig sind solche Kosten aus der Regelleistung von 311 Euro zu bezahlen. Wer aus diesem Geld keine Rücklagen bilden kann, wird von den sozialen Systemen im Stich gelassen, da es unterhalb des ALG II keine staatlichen Leistungen gibt", so Ullrich.

Nach den neuen Regelungen können Menschen auch ohne Krankenversicherungsschutz dastehen. Zwar würden ALG IIEmpfänger krankenversichert. "Wer aber dem Grunde nach ALG II-berechtigt ist, jedoch wegen des Einkommens seines nicht ehelichen Lebenspartners oder eines in der Hausgemeinschaft lebenden Verwandten tatsächlich keine Leistungen nach dem ALG II erhält, für den werden auch keine Versicherungsbeiträge abgeführt."

Ullrich rechnete vor, dass eine Familie mit zwei Kindern im Alter von 13 und 16 Jahren -beide Eltern arbeitslos -nach dem Gesetz finanziell schlechter gestellt ist, als eine arbeitslose Frau, die mit zwei Kindern im selben Alter in einer Wohnung lebt und der Vater in einer anderen Wohnung. Die zusammenlebende Familie erhält 752 Euro (zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung), die getrennt lebende Familie erhält zusammen 920 Euro (zuzüglich Unterkunft und Heizung für beide Wohnungen). In diesem Zusammenhang wies Ullrich darauf hin, dass es für die Bezieher von ALG I wichtig ist, Wohngeld zu beantragen, da dies dazu führen kann, den nach dem ALG II auf zwei Jahre befristeten Zuschlag zur Abmilderung des Einkommensgefälles zu erhöhen.

Erhebliche Sanktionen möglich

Während die Leistungen nur unzureichend im Gesetz beschrieben seien, glänzen die neuen Vorschriften bei den Sanktionen durch eine bislang nicht dagewesene differenzierte und ermessenslose Klarheit. "Es ist deshalb davon auszugehen", so Ullrich, "dass die so genannten Fallmanager des Arbeitsamtes mit den Hilfebedürftigen in Zukunft sehr viel rigider verfahren werden." Wer einen Bescheid über ALG II erhalten hat, kann dagegen Widerspruch einlegen. Wo dies zu geschehen hat, ist auf der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides anzugeben. Dort ist auch festgelegt, dass der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift erfolgen kann. Die Frist beträgt einen Monat.

Grundsätzlich bedürfe der Widerspruch keiner Begründung, es sei aber in jedem Falle ratsam, sich Rechtsrat bei einem Arbeitnehmerverband wie der KAB oder der Gewerkschaft oder einem Rechtsanwalt einzuholen. Er selbst sei bereit, wie in Bernburg auch in anderen Gemeinden und Gruppen über Hartz IV zu informieren, so Ullrich.



Weitere Infos / Kontakt

Katholische Arbeitnehmerbewegung Bistum Magdeburg (KAB)
Diözesanvorsitzender Matthias Ullrich, Magdeburg, Tel. (0179) 888 67 20

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 4 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 30.01.2005

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