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Bistum Dresden-Meißen

Der Chef soll Jesus sein

Eine Priester-WG in Altenburg

Gemeinsames Mittagessen am 'freien Montag': Pfarrer Georg Wanzek, Pfarrer Andreas Schumann und Kaplan Benno Schäffel (von links) von der 'Vita communis' der Fokolarpriester in Altenburg. Foto: Dorothee Wanzek

Altenburg - Wie können Priester angesichts von ständig wachsenden Aufgaben in ihrer Berufung Erfüllung finden und positiv nach außen hin ausstrahlen? Drei Priester in Altenburg suchen die Antwort in einer gemeinschaftlichen Lebensform.

"Als Priester bin ich nicht zum Eremiten berufen." Andreas Schumann war das schon im Priesterseminar klar, auch wenn er von seinen Ausbildern damals noch auf ein Leben als Einzelkämpfer eingeschworen wurde. Seit drei Jahren gehört der Rositzer Pfarrer zu einer "Vita communis", einer vom Zweiten Vatikanischen Konzil empfohlenen Form der Lebensgemeinschaft von Priestern. Pfarrer Schumann wohnt sechs Kilometer von Rositz entfernt im Altenburger Pfarrhaus mit dem dortigen Ortspfarrer Georg Wanzek und mit Kaplan Benno Schäffel zusammen.

Um drei der meist gestellten Fragen gleich vorneweg zu beantworten: Die Priester kochen selbst. Auch die Wäsche erledigen sie in der Regel alleine. Beim Putzen lassen sie sich aber ganz gerne von hilfsbereiten Gemeindemitgliedern unter die Arme greifen.

Für die Rositzer Katholiken war es zunächst gewöhnungsbedürftig, dass der Pfarrer plötzlich nicht mehr im Ort wohnte. Ein großer Teil der Christen im Altenburger Land musste sich aber ohnehin schon lange damit abfinden, dass ihr Pfarrer nicht mehr im Pfarrhaus neben der Kirche wohnt und dort jederzeit anzutreffen ist, geben die Priester der Vita communis zu bedenken: Die Schmöllner etwa, die seit 1990 vom Altenburger Pfarrer mit betreut werden, oder die Luckaer, die seit Ende der 80er Jahre keinen Priester mehr vor Ort haben.

Für die drei Priester gehört Gemeinschaft ganz wesentlich zu ihrer Berufung. Im Alltag ergeht es ihnen dann aber so wie vielen Familien: Die Verpflichtungen jedes Einzelnen sind so unterschiedlich, dass für das Miteinander oft wenig Zeit bleibt. Gemeinsame Gebetszeiten gibt es, wenn möglich, aber: "Wir sind kein Kloster", sagt Pfarrer Schumann. Am ehesten sind sie beim Frühstück komplett.

Jeder behält seinen Stil

Den Montag halten sich alle frei als Tag der Gemeinschaft untereinander und oft auch mit anderen Priestern. Dann nehmen sie sich Zeit zum Gespräch, zur gemeinsamen geistlichen Betrachtung und zur Erholung. Auch wenn die drei sehr unterschiedlich sind und eine Altersspanne von über 30 Jahren überbrücken, sprechen sie doch sehr zufrieden über ihre "Wohngemeinschaft".

"Man muss sich gegenseitig eine große Freiheit geben und gut aufeinander hören", sagt Georg Wanzek. Für ihn geht es beispielsweise in Ordnung, dass Benno Schäffel den traditionellen Andachten ein Taizégebet vorzieht. Die Sonntagspredigten sind zwar oft inspiriert vom geistlichen Ausstausch, doch jeder verfasst seine eigene im persönlichen Stil und auf die Situation seiner Zuhörer zugeschnitten.

Die unterschiedliche Erfahrung in allen Lebensbereichen erleben alle häufig als Bereicherung. Der 69-jährige Georg Wanzek lässt sich ab und zu mal von den beiden jüngeren Priestern ins Kino abschleppen ("Da verknöchert man nicht"); Benno Schäffel sucht oft den Rat der erfahreneren Kollegen und erfährt dabei mitunter auch Überraschungen: "Als ich zum Beispiel mal fragte, wie ich jemanden am besten "zurechtbiegen" könnte, rieten mir die anderen, ihn stattdessen zu loben …" Oftmals werde ihm im Gespräch mit den anderen deutlich, welche geplanten Aktivitäten er eher weglassen kann, erzählt er.

Ein gemeinschaftliches Seelsorgemodell hat die Altenburger Gemeinschaft nicht ausprobiert, stattdessen wurden die Aufgaben "klassisch" verteilt: die jüngere Generation betreut der Kaplan, Pfarrer Wanzek ist auf Beerdigungen und Krankenseelsorge spezialisiert, Pfarrer Schumann kümmert sich um das Rositzer Territorium. Dennoch empfanden die drei ihre Gemeinschaft als hilfreich für das Zusammenwachsen der Katholiken im Altenburger Land. Wenn es nach langfristigen Personalplanungen des Bistums dort in absehbarer Zeit nur noch zwei Priester gibt, muss eine wachsende Zahl von Veranstaltungen zentral stattfinden. Schon jetzt gibt es unter anderem eine gemeinsame Fronleichnamsfeier und ein Zusammenspiel in der Kinder- und Jugendarbeit.

Gleiche Wellenlänge

Dass die Altenburger Priester spirituell auf einer Wellenlänge sind – alle drei gehören zur Fokolarbewegung – macht die Vita communis in ihren Augen einfacher, zumal der Gemeinschaftsgedanke in ihrer Spiritualität eine große Rolle spielt. Benno Schäffel freut sich, dass auch bei Gemeindemitgliedern ankommt, dass die drei sich nicht von ihren Meinungsverschiedenheiten beherrschen lassen. Neulich habe jemand gesagt "Pfarrer und Kaplan, da kriegst du nichts dazwischen!" Der Kaplan ergänzt: "Natürlich möchten wir schon, dass zwischen uns etwas oder besser gesagt jemand ist". Das Wort aus dem Matthäusevangelium sei ihnen ganz wichtig: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen". Der eigentliche Gemeindeleiter soll Jesus sein.

Zum 1. Juli wird Pfarrer Schumann nach Großenhain wechseln. Die Priester der Vita Communis hatten von vornherein mit ihrem Bischof ausgemacht, dass ihre Gemeinschaft nur so lange besteht wie sie mit der Personalplanung des Bistums gut vereinbar ist. Ihrem Anliegen, das Miteinander unter Priestern zu fördern, wollen alle drei unter den veränderten Bedingungen weiter nachgehen.



Hintergrund: Priester darf kein Single sein

Die Regenten der deutschen Priesterseminare haben sich in einem gemeinsamen Schreiben kürzlich für die Stärkung priesterlicher Gemeinschaft ausgesprochen. Im folgenden einige Gedanken daraus.

  • Jesus ruft seine Jünger zwar aus ihrer gewohnten Umgebung und Familie heraus, doch nicht, um sie dadurch der Isolierung auszusetzen, sondern um sie in die neue Familie der Jünger einzufügen. Deshalb darf der Priester kein Single sein. Nur ein gemeinschaftsfähiger Mensch kann teilhaben am Leben Gottes, der selbst Gemeinschaft ist.
  • Mut zur Communio: Besser um der Sendung willen Formen gemeinsamen Lebens verwirklichen als für eine flächendeckende Versorgung die Vereinsamung von Priestern in Kauf nehmen.
  • Es bedarf deshalb ausdrücklicherer priesterlicher Gemeinschaftsformen (zum Beispiel "Mensa communis"). Eine besonders intensive ist die sogenannte "Vita communis", in der Priester miteinander wohnen, das Leben und den Glauben teilen. Besonders diese Lebensform, in der man versucht, gemeinsam das Evangelium zu leben, vermag auch werbend in Kirche und Welt auszustrahlen. Damit ändert sich das Bild von Seelsorge: weg vom Bild einer flächendeckenden Seelsorge - hin zu einer Seelsorge unter dem Leitwort von Oasen.
  • Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 22 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
    Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 03.06.2005

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