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Aus der Region

Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit

Winfried Weinrich vom Katholischen Büro Thüringen über Kirche und Politik

Winfried Weinrich vom Katholischen Büro Thüringen.

Die regelmäßigen Hintergrundgespräche für Politiker und Kirchenvertreter in Thüringen werden vom Katholischen und Evangelischen Büro organisiert. Der Tag des Herrn sprach mit Ordinariatsrat Winfried Weinrich vom Katholischen Büro:

    Herr Weinrich, welches Anliegen verfolgen Sie mit den Hintergrundgesprächen?

Wir wollen die Multiplikatoren aus Politik, Gesellschaft und Kirche zusammen- und miteinander ins Gespräch bringen. Die Hintergrundgespräche sollen die Möglichkeit bieten, auch einmal die Grundfragen, die hinter den Alltagsfragen liegen, in einer sehr offenen Art und Weise zu reflektieren. Als Gesellschaft brauchen wir immer wieder eine Vergewisserung über grundsätzliche Weichenstellungen und Wertentscheidungen, denn diese haben Einfluss auf die Ausgestaltung konkreter Politik. Manchmal – etwa in der Familienpolitik – scheint es so, als seien finanzielle Fragen ausschlaggebend. Viel entscheidender aber ist die Frage nach dem Familienbild.

    Die katholische Kirche in Thüringen ist eine kleine Kirche. Was kann diese Kirche denn politisch bewegen?

Auch wenn wir eine kleine Kirche sind – unsere Stimme wird gehört. Obwohl wir eine Diasporakirche sind, sind wir in bestimmten Bereichen der Gesellschaft Akteure. Ich denke besonders an das Soziale und an die Bildung. Wir sind mit unserem Engagement zwar nicht flächenmäßig präsent, aber an entscheidenden Stellen zeigen wir Flagge – beispielsweise mit unseren 75 Kindergärten und mit unseren Schulen. In die Gestaltung der entsprechenden Rahmenbedingungen müssen wir uns einmischen. Auf der anderen Seite haben wir – etwa mit unseren Erziehungs- und Bildungskonzepten, denen ein christliches Menschenbild zugrunde liegt – Ansätze, die auch für andere interessant sein könnten. Wenn wir uns damit verstecken und uns nicht in die Diskussion einmischen, werden wir nicht wahrgenommen.

    In diesen Tagen entscheidet sich, ob es im September zu vorgezogenen Bundestagswahlen kommt. Woran kann der Christ sich bei seiner Entscheidung, welcher Partei er seine Stimme gibt, orientieren?

Ein Hauptpunkt heißt für mich: Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Wie ehrlich äußern sich Politiker im Vorfeld einer Wahl? Man kann – glaube ich – sehr schnell erkennen, ob etwas nur ein Wahlversprechen ist, das hinterher nichts mehr wert ist, oder ob eine Partei auch schon vor der Wahl deutlich sagt, was sich verändern muss. Egal, wer nach der Wahl die Verantwortung übernimmt – auf alle Politiker im Bund, in den Ländern und Kommunen wird die Frage nach einer grundlegenden Reform zukommen, die sich messen lassen muss an der Beachtung von Subsidiarität und Solidarität, von Eigenverantwortung und Hilfe für die Bedürftigen. Reformen des Arbeitsmarktes und der Sozialsysteme, Veränderungen in der föderalen Struktur unseres Landes und bei den Steuern – das alles lässt sich nur im Zusammenhang anpacken. Hat eine Partei dafür ein Konzept oder greift sie jetzt nur populistisch einzelne Punkte heraus und verspricht, dieses wieder zurückzunehmen und jenes zu korrigieren? Diese Frage liefert eine Entscheidungshilfe, denn in Deutschland hilft uns nur der Blick aufs Ganze weiter, nicht partielle Veränderungen.

Fragen: Matthias Holluba

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 26 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 30.06.2005

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