Kapläne waren wie große Brüder
Menschen um die Kathedrale: Hildegard Hilber
Dresden - "Die Liebe meines Lebens gehört neben meinem Mann dieser Kirche", betont Hildegard Hilber. Von Kindheit an ist sie mit der Hofkirche in Dresden eng verbunden. Hier wurde Hildegard Hilber getauft, hier ging sie zur Erstkommunion, in der Hofkirche feierte ihr Bruder Ernst Warg die letzte Primiz vor der Zerstörung der Kirche und hier heiratete sie schließlich im Jahr 1951. Übrigens: Ihren Mann Rudolf lernte sie ebenfalls im Kreis der Hofkirche kennen. Bei einem Krippenspiel spielte sie die Maria und er den Josef. Obwohl die junge Familie Hilber im Pfarrgebiet Dresden-Johannstadt wohnte, blieben sie immer mit der Hofkirche, ihren Seelsorgern und der Gemeinde verbunden.
Hildegard Hilber erinnert sich an die Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges. Sie und alle, die damals in der Kirche und im benachbarten Geistlichen Haus zusammenkamen, sahen und sehen diese Zeit als prägend für ihr ganzes Leben an. "Sie hat uns zusammengeschweißt und geformt", betont sie. Zum einen waren da die vielen Kapläne, die den jungen Leuten die Glaubensvielfalt und die Liturgie erschlossen. Hildegard Hilber sagt: "Die Kapläne lebten mit uns, sie waren wie Geschwister, wie größere Brüder." Zum anderen darf Propst Wilhelm Beier nicht vergessen werden. Ihn lernte Hildegard Hilber als einen Seelsorger kennen und schätzen, der nicht alleine lebte sondern andere an seinen Freuden aber auch seinen Sorgen teilhaben ließ. "Er war für jeden da, ist jedem nachgegangen, er hatte einfach ein väterliches Verhältnis zur ganzen Gemeinde." Frau Hilber berichtet, wie sie zusammen mit Propst Beier an den Adventssonntagen durch die Stadt zog, um alte und einsame Menschen zu besuchen. Neben der Lesung des Weihnachtsevangeliums sang man gemeinsam, und schließlich wurden kleine Geschenke überreicht. Oder wie sie mit Wilhelm Beier die Erstkommunion vorbereitete. Und einmal, es war an einem Pfingstfest im Krieg, kam er nach einem Besuch eines Lazarettzuges am Hauptbahnhof zu ihr und sagte: "Ich habe heute so viel Elend gesehen, bete mal bitte ... ".
Treffpunkt der damaligen Jugend war die so genannte Schwarze Madonna im Hof des Geistlichen Hauses in der Schloßstraße 32. Hier wurden während der Zeit des Nationalsozialismus Andachten für die Gefangenen - beispielsweise für den verhafteten Bischof Petrus Legge - gehalten. Während des Krieges wurde zudem für alle Soldaten gebetet. Hildegard Hilber berichtet von den Jugendmessen, in denen ebenfalls in dieser Intention Fürsprache gehalten wurde. Schließlich neigte sich der Krieg seinem Ende zu. Viele kamen nicht mehr zurück, so die Kapläne Bernhard Wensch und Alois Andritzki - beide starben im KZ Dachau. Die Hofkirche lag in Trümmern, die Gemeinde war auf rund 300 katholische Christen geschrumpft, Tausende hatten den Angriff am 13. Februar 1945 nicht überlebt - so auch Propst Wilhelm Beier. Zu den Opfern hätte auch Hildegard Hilber zählen können. Sie berichtet: "Ich gehörte zum Luftschutz der Hofkirche, doch schon mit dem ersten Alarm fielen die ersten Bomben und ich kam nicht mehr aus dem Haus."
Nach dem Krieg vereinte die Überlebenden ein gemeinsamer Wille, die Hofkirche wieder aufzubauen. "Es war für uns alle unvorstellbar, dass die Hofkirche nicht mehr existieren soll." Zunächst kam es darauf an, das Gotteshaus zu beräumen - Hildegard Hilber war mit dabei. Sie erinnert sich an diese Tage: "Wo wir gingen und standen, wir haben immer gesungen." Schon zum Bennofest 1945 feierte die Gemeinde die erste heilige Messe in der Bennokapelle. Beim allem Aufbauwillen blieben die Opfer unvergessen: In den ersten Jahren nach dem Angriff wurde von Fastnacht zu Aschermittwoch - der 13. Februar war ein Faschingsdienstag - eine Nachtwache im Gedenken an die Opfer gehalten. Einmal wurden die Klagelieder des Propheten Jeremia vor dem Hochaltar gesungen. "Von oben viel der Schnee herein, solch eine Stunde vergisst man nicht."
Inzwischen haben die Dresdner eine Hofkirche in einer Schönheit, die bisher nicht da gewesen war. Hildegard Hilber ist darüber sehr glücklich. Und an den Jubiläumsfeierlichkeiten haben sie und ihr Mann aktiv teilgenommen. Und auch künftig wollen beide das Gemeindeleben mitprägen, beispielsweise im Glaubenskreis für Senioren. Hildegard Hilber: "Uns zieht es einfach immer wieder hin." Was beiden bis heute besonders wichtig ist, das ist die Gemeinschaft zwischen Seelsorgern und Gemeinde. An dieser guten Erfahrung hat sich im langen Leben von Hildegard Hilber nichts geändert. jak
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 19.07.2001