Pro und Kontra Klosterleben
Gedenken an Luthers Klostereintritt vor 500 Jahren
Erfurt (mh) - Am 17. Juli 1505 bat am Erfurter Augustinerkloster Martin Luther darum, ins Kloster eintreten zu dürfen. Diesem Ereignis widmete die evangelische Kirche jetzt – 500 Jahre später – eine Gedenkveranstaltung, unter anderem mit einer Diskussion zum Klosterleben heute.
"Wenn meine Kinder mir in ein paar Jahre sagen, dass sie ins Kloster eintreten wollen, wäre ich dagegen." Für den evangelischen Pfarrer Michael Klingler aus Bremen ist ein Leben im Kloster nicht mit seinem Glauben vereinbar: "Gott hat uns in diese Welt gestellt. Und da muss sich der Glaube auch bewähren." – Und nicht etwa in der weltfremden Abgeschiedenheit der Klosterzelle. Klöster seien besonders dann abzulehnen, wenn es dort – im Sinne einer spirituellen Wellness-Einrichtung – nur um die eigene geistliche Vervollkommnung gehe.
Diese barsche Kritik am Klosterleben blieb bei der Podiumsdiskussion "Kloster und Freiheit – kommunitäres Leben pro und kontra" auch unter den mitdiskutierenden evangelischen Christen nicht unwidersprochen. Die meisten von ihnen kamen aus evangelischen Klöstern und Kommunitäten. Immerhin gibt es davon nach Angaben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) etwa 75.
Klosterleben sei keine Weltflucht, denn die Entscheidung dafür habe immer etwas mit dem Dienst am Nächsten zu tun, betonte der katholische Podiumsteilnehmer, Augustinerpater Dr. Michael Wernicke. Eine Erfahrung, die die Priorin der evangelischen Gemeinschaft Casteller Ring, Schwester Ursula Theresa Buske, bestätigte: "Wir wagen Bindung und gewinnen Freiheit." Denn die Bindung durch das Klosterleben mache frei für den Dienst an Gott und den Menschen. Das werde auch von Außenstehenden so wahrgenommen, ist eine Erfahrung der Oberin Beate Kaupp von der Schwestern- und Brüderschaft des Sophienhauses Weimar. Sie höre oft den Satz "Sie wissen wenigstens, wo sie hingehören."
Für den Luther-Kenner Pfarrer Dr. Hans-Jochen Genthe heißt die eigentliche Frage an das Klosterleben aus Sicht lutherischer Theologie: Verfolgen Orden oder Kommunitäten einen bestimmten Dienst am Menschen? Dann sei dagegen nichts einzuwenden. Oder dienen sie der eigenen Vollkommenheit? Hier müsse aus evangelischer Sicht gefragt werden, ob der Mensch als gerechtfertigter Sünder diese Suche nach eigener Vollkommenheit brauche.
Dem Eintritt in ein Kloster gehe die Erfahrung des Rufes Gottes zur Hingabe voraus, entgegnete darauf Bruder Lukas Haltiner vom evangelischen Petersberg-Kloster bei Halle. Dieser Ruf sei ein Ruf in die Freiheit und nicht der Ruf zu einem bestimmten Zweck. Ähnlich sieht es Schwester Ursula: "Das Kloster ist für mich die Form, meine Gottesbeziehung zu leben. Jeder wird seine Form dafür finden müssen, aber ich fühle mich zum Klosterleben hingezogen."
Zwar hat Luther Klöster nicht gänzlich abgelehnt. Doch hatte er starke Vorbehalte vor allem gegen die ewigen Gelübde und die evangelischen Räte. Der Christ müsse sich in seinem Beruf und in dem Stand, in dem er lebt, bewähren, das seien für Luther die eigentlichen Orden, so Pfarrer Genthe.
Trotzdem können evangelische Christen heute Positives am Klosterleben entdecken. Der langjährige evangelische Propst in Erfurt, Heino Falcke, machte das mit Blick auf den vollkommenen Funktionalismus im Leben moderner Menschen deutlich: Klöster könnten Orte sein, an denen nicht gefragt wird, was tut ihr hier, sondern wo gezeigt wird, dass Gott um seiner selbst willen geliebt werden will.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Samstag, 23.07.2005