Restraurierung des Neuzeller Heiligen Grabes angelaufen
Ein Kunstwerk auf Kur
Neuzelle/Wünsdorf (kh) - "Mich reizen am Heiligen Grab von Neuzelle vor allem die Herausforderungen, die die Schäden an den Restaurator stellen", sagt Petra Demuth. Neun Monate will sich die Restauratorin mit dem um 1750 entstandenen Kulissentheater beschäftigen, ihre Diplomarbeit darüber schreiben und ein oder zwei der mehr als 200 Einzelteile konservieren.
Anhand erster Arbeitsproben wollen die Fachleute dann den gesamten Aufwand an Zeit und Kosten abschätzen, der mit der Restaurierung des Barockkunstwerkes verbunden ist. Vorerst sollen nur die Kulissen wieder hergerichtet werden, die zu einer der 15 Szenen gehören, und zwar zum Judaskuss im Garten Gethsemane. 6000 bis 7000 Arbeitsstunden sind dafür veranschlagt. Die Hälfte der Kosten, immerhin rund 650 000 Mark, übernimmt der Bund, die andere das Land Brandenburg, indem es die Arbeitskräfte finanziert, erläutert Andreas Menrad, der am Landesamt für Denkmalpflege in Wünsdorf das Referat Restaurierung leitet. Noch steht aber der Zuwendungsbescheid vom Bund aus. Voraussetzung dafür seien bauliche Maßnahmen im Kreuzgang der Neuzeller Wallfahrtskirche, wo die restaurierten Passionsdarstellungen der Öffentlichkeit präsentiert werden sollen, sagt Walter Ederer, der Geschäftsführer der Stiftung Stift Neuzelle, der das Heilige Grab gehört. Bevor am Kreuzgang etwas gemacht werden könne, müsse jedoch klar sein, wie das Gebäude darüber genutzt werde. Bisher ist dort ein Gymnasium untergebracht. Laut Ederer wird sich der Landkreis Oder-Spree aber im kommenden Jahr als Träger zurückziehen. Ob sich ein neuer Schulträger findet, ist unklar. Ederer hofft, "dass es dazu noch im Sommer eine Entscheidung gibt".
Trotz dieser Unsicherheiten hat die Restaurierung des Heiligen Grabes inzwischen begonnen. Seit Januar lagern 45 Kulissenteile und fast mannshohe Holzfiguren im Landesamt für Denkmalpflege - bei 60 Prozent Luftfeuchtigkeit und möglichst konstanten 18 Grad Celsius Raumtemperatur.
Durch Klimaschwankungen in früherer Zeit zog sich nämlich das Holz der Kulissentafeln zusammen. Dadurch hatte die Malschicht zu wenig Platz und zerfiel in winzige, dachförmig aufstehende Schuppen. Diese sollen nun zumindest teilweise wieder niederlegt werden.
Schwieriger dürfte es sein, die Darstellungen auf den Leinwänden zu erhalten, da sich diese, wie Petra Demuth erklärt, insgesamt in einem schlechteren Zustand befinden und an zahlreichen Stellen Wasserränder, Risse oder Fehlstellen aufweisen oder von flaumig weißem Schimmelbelag überzogen sind. Außerdem ist die Farbschicht zum Teil - wie auf den Holzkulissen - in winzige Schollen zerfallen, die sich vom Untergrund lösen. Sie sollen nun mit einer Art Flüssigkleber wieder befestigt werden. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass der Leim nicht in das Gewebe eindringt, sondern an der Oberfläche bleibt und diese glänzend erscheinen lässt. Für die Dekorationsmalerei sei aber gerade ein matter Charakter typisch, erläutert Petra Demuth. Außerdem könnte zusammen mit den Farbpartikeln Schmutz kleben bleiben. Deshalb müssen die Leinwände zuerst gereinigt werden. Dazu wird zum Beispiel Wasser auf die Oberfläche aufgesprüht oder aufgestrichen und der darin gelöste Schmutz mit einem Schwamm abgetupft.
Bevor Petra Demuth aber zu Pinsel oder Reinigungsschwamm greift, sieht sie sich die Kulissen erst einmal genau an. Anhand verschiedener Details möchte sie nämlich möglichst viel über die Entstehung und Verwendung des Heiligen Grabes herausfinden.
Ein Aspekt ist die Herstellung der Leinwände. Wie Petra Demuth erläutert, bestehen sie aus je drei Stoffbahnen. Diese müssen auf geradezu "fantastische" Weise zusammengenäht sein, meint die Restauratorin, denn, soweit ihr bekannt sei, habe sich noch keine Naht geöffnet. Aus Spuren an den Holzrahmen möchte Petra Demuth erschließen, wie oft die Passionsdarstellungen früher aufgebaut wurden.
Ferner interessiert es sie, wie sich dieses Unterfangen technisch bewerkstelligen ließ. Eine Montageanleitung ist für die Judaskuss-Szene nämlich nicht erhalten. Deshalb vergleicht Petra Demuth zum Beispiel die Keilschlösser miteinander, die zwei Kulissentafeln zusammenhielten. Die Holzriegel fasst sie nur mit Latexhandschuhen oder Papierhandtüchern an. Wie die meisten Holzkulissen wurden sie zu DDR-Zeiten mit einem Holzschutzmittel behandelt, das wahrscheinlich das Kontaktgift DDT enthielt. Darauf deuten kleine weiße Pünktchen auf der Oberfläche hin. Diese Kristalle sollen nun in einem neuen Verfahren mit Lösemitteln abgewaschen werden, ohne die Originalmalschicht zu beeinträchtigen. Finanzielle Unterstützung gibt es dafür laut Menrad von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Die Öffentlichkeit bekommt die erste Kostprobe der Restaurierungsarbeiten schon bald in Potsdam zu sehen: Ab 18. August zeigt das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in der Ausstellung "Marksteine. Eine Entdeckungsreise durch Brandenburg-Preußen" auch eine Figurentafel des Heiligen Grabes von Neuzelle.
Geöffnet ist die Ausstellung "Marksteine. Eine Entdeckungsreise durch Brandenburg-Preußen" im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam von 18. August bis 11. November 2001 täglich von 10 bis 19 Uhr.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 19.07.2001