Gläubig aufwärts schauen
Ein Beitrag von Pater Damian Meyer
Vor kurzem wurden in einer Fernsehsendung Menschen unserer Gesellschaft gezeigt, die in Armut leben. Sie hatten ihre Arbeitsplätze verloren, waren in die Schuldenfalle geraten und mussten von ihrem geringen Arbeitslosengeld noch regelmäßig ihre Schulden abzahlen. Da blieb kaum etwas zum Leben. Sie hatten kein Geld übrig, sich etwas Besonderes zu gönnen. So saßen sie den ganzen Tag in ihrer Wohnung. Erwartungsgemäß waren die meisten von ihnen verbittert und schimpften auf die Politik im Allgemeinen und die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft. Einer wünschte sich die Mauer zurück, denn damals sei alles besser gewesen. Abgesehen von den Breitseiten der Verallgemeinerungen, waren ihre kritischen Bemerkungen durchaus berechtigt.
Dann wurde eine etwa 50 Jahre alte Frau interviewt, die in der gleichen Situation der Verarmung lebte. Was sie sagte, ließ mich aufhorchen. Sie stimmte nicht ein in den Chor der Klagenden und Verbitterten, sondern nannte ihre Lebensmaxime: "Dankbar rückwärts, gläubig aufwärts, mutig vorwärts schauen!" Die Frau sagte kein Wort über ihren religiösen Glauben oder ihre kirchliche Praxis. War sie getaufte Christin? Hatte sie sich mit Glauben und Kirche auseinandergesetzt? Oder war sie atheistisch erzogen? – Wie auch immer, ich würde sie zumindest eine "anonyme Christin" nennen. Ihr Lebensgrundsatz gibt eine andere Sicht der Realität, ohne sich in Tagträume zu verlieren. Die Frau machte nicht den Eindruck von Lebensfremdheit oder Verstiegenheit. Sie schilderte zunächst ganz sachlich ihre missliche Lage, die sich nicht wesentlich von der der anderen Gesprächspartner unterschied. Sie versuchte, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Der große Unterschied war ihre Antwort auf die Frage, wie sie mit ihrer Lebenslage umgeht. Ich glaube, ihre Haltung kann als gutes Beispiel für einen christlichen Umgang mit dem Leben gelten.
Der Blick geht in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Wer für Vergangenes, sei es wie es wolle, dankbar sein kann, der ist mit sich und der Welt versöhnt. Er weiß, dass Geschehenes nicht ungeschehen gemacht werden kann. Um die Gegenwart zu ertragen, braucht man den Blick auf eine höhere Kraft. Man kann nicht selbst mit allem fertig werden. Für den gläubigen Christen ist hier die Verbindung mit Gott im Gebet von entscheidender Bedeutung. Aus dem Glauben kommt dann der Mut, in die Zukunft zu schauen, das Vertrauen zu haben, dass es einmal besser sein wird, vor allem, dass man in Gottes Hand geborgen ist. Das ist mehr als ein als Veranlagung mitgegebener Optimismus.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 28.07.2005