Vom Sündigen mit den Worten
Ein Beitrag von Pater Damian Meyer
Im Schuldbekenntnis, das wir manchmal vor der heiligen Messe beten, heißt es: "Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken". Ich kann für mich sagen: Ich bin am meisten betroffen von dem Gedanken an die Wort-Sünden. Es ist ja erstaunlich und auch erschreckend, was wir mit bloßen Worten in anderen Menschen anrichten können. Wir können jemanden mit einem guten Wort aufrichten und aufbauen und ihn mit einem bösen Wort entmutigen, "fertigmachen". Ist ein Wort einmal unserem Mund entsprungen, ist es nicht mehr aufzuhalten. Meistens hilft dann auch nicht die Entschuldigung: "Es war nicht so gemeint".
Die Dichterin Hilde Domin hat in einem Psalm die Unaufhaltsamkeit, die Eigendynamik des gesprochenen Wortes dargestellt: "Das eigene Wort, / wer holt es zurück, / das lebendige / eben noch ungesprochene/ Wort? // Wo das Wort vorbeifliegt / verdorren die Gräser, / werden die Blätter gelb, / fällt Schnee. / Ein Vogel käme dir wieder. / Nicht dein Wort, / das eben noch ungesagte, / in deinem Mund. / Du schickst andere Worte / hinterdrein, / Worte mit bunten, weichen Federn. / Das Wort ist schneller, / das schwarze Wort. / Es kommt immer an. / Es hört nicht auf, anzukommen. // Besser ein Messer als ein Wort. / Ein Messer kann stumpf sein. / Ein Messer trifft oft / am Herzen vorbei. / Nicht das Wort. // Am Ende ist das Wort, / immer / am Ende / das Wort. //
Schon im biblischen Buch der Sprichwörter heißt es: "Bei vielem Reden bleibt die Sünde nicht aus, wer seine Lippen zügelt, ist klug" (Spr 10,19). Im Matthäusevangelium wird ein Ausspruch Jesu überliefert, das vor dem grundlos behaupteten Wort, der Verleumdung, warnt: "Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen; denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden" (Mt 12,36). In Epheserbrief (4,29) wird die Mahnung Jesu positiv ausgesprochen: "Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt."
Eine noch viel verheerendere Wirkung haben manche Worte, die als Sprachregelung in totalen Regimen verbreitet wurden. Denken wir zum Beispiel an die Ausdrücke "Untermensch" , "Säuberung", "unwertes Leben". Der Politologe Alfred Grosser hat in diesem Zusammenhang einmal gesagt: "Wir leben in einer Zeit, in der man bei der Wahl der Worte bereits zum Täter werden kann."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 04.08.2005