Feiern auch für Konfessionslose
Liturgiewissenschaftler tagten in Dresden
Dresden - Auf Einladung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) waren 200 Liturgiewissenschaftler aus aller Welt zu einem Kongress nach Dresden gekommen. Das Thema hieß "Die verwandelnde und heilende Kraft der Liturgie in einer gebrochenen Welt".
Der katholische Erfurter Theologe Benedikt Kranemann hat die Kirchen dazu ermutigt, neue, offenere liturgische Feiern auch für Konfessionslose anzubieten. Angebote wie das "Erfurter Weihnachtslob" – eine um die Eucharistie reduzierte Liturgie am Heiligen Abend im Erfurter Dom – zeigten, "wie durch Modifi kation des Rituals auf gesellschaftliche Gegebenheiten reagiert werden kann, ohne an Substanz zu verlieren", sagte Kranemann in seinem Vortrag auf einem internationalen Kongress der Societas Liturgica. In ähnlicher Weise gewähre die Kirche Konfessionslosen auch bei der "Lebenswendefeier" in Form eines Rituals Hilfe zur Lebensdeutung und Sinnfi ndung.
Der Tag des heiligen Valentin sei bislang in Deutschland als Tag der Liebenden weitgehend von Blumengeschäften, Konfi - serien und Parfümerien besetzt, so Kranemann. Dem haben in Erfurt evangelische und katholische Kirche einen ökumenischen "Segnungsgottesdienst für alle, die partnerschaftlich unterwegs sind" entgegen gesetzt. In anderen Städten gibt es ähnliche Feiern. Die beteiligten Kirchen hätten sich damit "einen Bereich des Rituals zurückerobert". Mit dem monatlichen Totengedenken im Erfurter Dom wiederum gebe die Kirche Antwort auf einen gesellschaftlichen Missstand: "die Verdrängung der Toten und des Totengedächtnisses".
Kirchliches Engagement innerhalb des religiösen Pluralismus der modernen Gesellschaft führt nach Ansicht Kranemanns also keineswegs zu einer Beschädigung der eigenen Tradition oder des Glaubensprofi ls. Im Gegenteil: Versteht man solche kirchliche Feiern auch für Konfessionslose als christliche Verkündigung in die Gesellschaft hinein, "wird mit ihnen eine originäre kirchliche Aufgabe wahrgenommen".
Nach Katastrophen oder Terroranschlägen registrieren die Liturgiewissenschaftler ein breites Bedürfnis nach Gottesdiensten selbst bei Kirchendistanzierten. Aufgeschreckte Menschen suchten hier nach einem Halt, nach Gemeinschaft im Leid und in der Trauer, sagte der Leitende Bischof der VELKD, Hans Christian Knuth auf dem Kongress. Zudem böten die Kirchen einen Raum der Begegnung mit einer Botschaft, die über das täglich erfahrene Schreckliche hinaus weise, ohne dass das Leid verdrängt werde, meinte der Präsident der Societas Liturgica, der evangelisch-lutherische Pastor Ottfried Jordahn.
Auf der sechstägigen Fachtagung der Societas Liturgica, der mehr als 450 Liturgiewissenschaftler verschiedener Konfessionen aus 40 Ländern angehören, sei es vor allem um neue Formen von Gottesdiensten gegangen, ohne deren traditionelle Grundstruktur zu verändern, sagte der katholische Theologe Martin Stuffl esser (Münster). Hier gebe es bereits gute Beispiele experimenteller Formen, etwa mit zeitgenössischer Musik oder Texten von Dichtern der Gegenwart.
Zur Sache - Ökumenischer Gottesdienst
Einen kritischen Umgang mit dem Begriff "Ökumenischer Gottesdienst" hat der Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen Pfarrer Thomas Best beim Kongress gefordert. Wenn Mitglieder verschiedener Kirchen miteinander Gottesdienst feierten, sollte dieser nicht als "ökumenischer Gottesdienst" bezeichnet werden. Die Bezeichnung "bringt Dinge durcheinander und erweckt die Vorstellung, dass ökumenische Gottesdienste eine andere Form oder Ausführung des Gottesdienstes unter den verschiedenen konfessionellen Traditionen ist". Besser solle von "Gottesdiensten in ökumenischen Kontexten" gesprochen werden. Gemeint sind Gottesdienste in der Tradition einer Konfession an der aber Mitglieder anderer Kirchen teilnehmen. (kna)
Weitere Informationen im Internet unter: www.velkd.de
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 25.08.2005