Bücher als Berater
von Pater Damian
Kein Mensch in verantwortlicher Position in der Regierung, in einem Konzern oder auch in der Kirche kommt ohne einen Stab von Beratern aus. Unter ihnen sind Fachleute auf verschiedenen Gebieten, die die notwendigen Informationen zur Entscheidungsfindung zur Hand haben. Auch der Einzelne, der mit Problemen konfrontiert ist und vor schweren Entscheidungen steht, nimmt oft die Hilfe von Beratern in Anspruch. Ob eine Entscheidung dann schließlich "gut oder schlecht beraten" war, erkennt man daran, ob die sachliche Erkenntnis der Wirklichkeit maßgebend war; ob "die Wahrheit der wirklichen Dinge richtegebend zu Wort gekommen ist" (J. Pieper).
In der christlichen Tradition ist es die Kardinaltugend der Klugheit, aus der die rechten Entscheidungen hervorgehen. Klug ist der, der sich den Blick für die Wirklichkeit nicht trüben lässt durch das Ja oder Nein des Willens. Er macht das Ja oder Nein des Willens abhängig von der Wahrheit der wirklichen Dinge. Er ist fähig, die Wirklichkeiten, die unser Tun umstehen, sachlich zu sehen und sie - je nach Art und Gewicht - maßgebend werden lassen für die Tat.
In jeder größeren Buchhandlung gibt es ein Angebot von Büchern, die "Lebenshilfe" anbieten: In Fragen der persönlichen Lebensführung und des Glücklichwerdens, der Berufswahl, der Partnerschaft und Ehe, der Konfliktlösung, der Bewältigung von schweren Schicksalsschlägen ... Die Werke sind in ihrer Qualität sicherlich sehr unterschiedlich und mehr oder weniger hilfreich. Eines aber haben Bücher als Berater Rat gebenden Mitmenschen voraus: Sie drängen sich einem nicht auf, verfolgen keine persönlichen Interessen und Ziele. König Alfons V. von Aragon (15. Jahrhundert) hatte als Herrscher mancherlei Beratung in Anspruch genommen. Er fasst seine Erfahrungen so zusammen: "Meine angenehmsten Ratgeber sind Bücher; denn weder Furcht noch Hoffnung hindern sie daran, mir zu sagen, was ich tun soll." Seine Bücher hatten den nötigen Abstand von ihm, ließen sich nicht beeinflussen von Stimmungen, von Furcht und falscher Rücksichtnahme oder von der Erwartung persönlicher Vorteile. Sie waren der "Wahrheit der wirklichen Dinge" verpflichtet.
Das Buch der Bücher, die Bibel, bedarf des lebendigen Zeugnisses von Verkündigern in der Kirche. Sie muss ausgelegt und angewandt werden auf die Situation heutiger Menschen. Aber die Bibel gehört auch die Hand des Einzelnen. Der Rat und Orientierung Suchende kann in ihr die Wahrheit finden, die ihn frei macht. Die Wahrheit, die ihn herausführt aus der Enge und Bedrängnis, ihm neue Horizonte eröffnet und zu lebenswichtigen Entscheidungen verhilft.
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 23.03.2001