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Bistum Dresden-Meißen

Gestärkte Gemeinsamkeit

Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht in Coswig (Sachsen)

Christine George und Christine Holland beim gemeinsamen Schuljahrsabschluss mit Schülern aus Coswig-West und Coswig-Mitte.

Coswig - Mehr Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen wünschen sich viele, die aus Schüler-, Eltern- oder Lehrerperspektive Religionsunterricht erleben. Eine Coswiger Elterninitiative hat viele organisatorische Hürden genommen, um den Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen.

Acht Wochen lang haben die Drittklässler der Grundschule Coswig- West im vergangenen Schuljahr ihre Religionslehrerin mit den Altersgenossen aus Coswig-Mitte getauscht. In dieser Zeit brachte Christine George den Schülern in Mitte die katholischen Besonderheiten des Kirchenjahrs nahe, ihre Kollegin Christine Holland ging gleichzeitig in Coswig-West auf die typisch evangelischen Kirchenfeste wie Buß- und Bettag oder Reformationsfest ein. Zum Abschluss des Schuljahres haben sich die Kinder der beiden konfessionell gemischten Lerngruppen und die Lehrerinnen zu einer gemeinsamen ökumenischen Feier getroffen. "Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht" ist das Modellprojekt überschrieben, das vor zwei Jahren in Coswiger Grundschulen anlief.

Bereits vor vier Jahren hatten Sebastian Ruffert und andere katholische Väter und Mütter in der Kleinstadt bei Dresden die Initiative ergriffen: Dass der katholische Religionsunterricht nicht in der Schule, sondern im Gemeindehaus stattfand, war gerade für die Eltern älterer Schüler zunehmend schwierig. Während ihre Mitschüler Ethik oder evangelische Religion besuchten, hatten die Heranwachsenden entweder Freistunden oder nahmen am evangelischen Reliunterricht teil. Nachmittags waren sie dann schwer zu bewegen, noch zum katholischen Unterricht zu gehen. Der evangelische Unterricht war weitaus attraktiver, allein schon, weil die Schüler dabei mit ihren Klassenkameraden in der normalen Schulzeit zusammen waren.

Die Coswiger Elterninitiative fand Unterstützung bei den Professoren Monika Scheidler und Roland Biewald, den beiden Lehrstuhlinhabern für Religionspädagogik an der Technischen Universität Dresden. Kurz vor Gründung der Elterninitiative hatten Bischof Joachim Reinelt und der damalige evangelische Landesbischof Volker Kreß eine Vereinbarung zur Kooperation beider Kirchen beim Religionsunterricht unterzeichnet.

Unterschiede sollen nicht glatt gebügelt werden

Unter Leitung der beiden Religionspädagogik- Professoren entstand infolge dessen eine ökumenische Kommission, in der Vertreter beider Kirchen und der Regionalschulämter sondieren sollen, welche Formen konfessioneller Zusammenarbeit beim Religionsunterricht hierzulande möglich sind. Die Gemeinsamkeiten stärken, dabei aber gleichzeitig den konfessionellen Unterschieden gerecht werden, empfiehlt die Kommission den kooperationswilligen Lehrern. Wichtig sei es, dass die Kinder die Lehrer beider Konfessionen bei so genanntem "team teaching" auch einmal gemeinsam erleben. Dabei sollten die Schüler merken, wer in welcher Kirche zu Hause ist, und dass beide einander kennen und schätzen. Vielerorts wird bereits auf unterschiedlichste Weise zusammengearbeitet, da aufgrund kleiner Schülerzahlen sonst keine Religionsklassen zustande kommen würden. In den beiden Coswiger Grundschulen kann der Religionsunterricht seit der Einführung der konfessionellen Kooperation sogar zweistündig stattfinden. Das entspricht der Stundentafel für Religion und Ethik in Sachsen. Die Schulen können die Einführung der Zweistündigkeit bei den Regionalschulämtern beantragen. Der enorme bürokratische Aufwand, den die Coswiger Eltern seit Jahren gemeinsam mit den Lehrerinnen und der ökumenischen Kommission betreiben, kommt zwar ihren eigenen, mittlerweile großen Kindern, nicht mehr zugute. Sie hoffen jedoch, dass er Schülern in ganz Sachsen einen gangbaren Weg für die Zukunft eröffnet.

Engagement für Gemeinde-Anbindung

Die Kommission hat darüber hinaus das Anliegen, in den Kirchen für eine stärkere Öffnung des schulischen Religionsunterrichts für nicht konfesssionelle Schüler zu werben, als Alternative zu Ethik, erläutert die katholische Professorin Monika Scheidler. Laut Grund- und Schulgesetz hätten die Kirchen eine Mitverantwortung für die religiöse Bildung junger Menschen. Noch immer bestünden aber große Ängste, dass die katholischen Kinder mit dem schulischen Religionsunterricht die Gemeinde-Anbindung verlören.

Das Beispiel Coswig zeigt, dass der Religionsunterricht keinesfalls der einzige Weg sein muss, den Nachwuchs zu erreichen. Ergänzend zur Religiösen Kinderwoche bietet die Gemeinde Kindergottesdienste und katechetische Wochenenden an, zu denen die Kinder in der Regel sehr gerne kommen. Die Verbindung zur Pfarrgemeinde wird auch durch den konfessionell-kooperativen Unterricht selbst gestärkt, wenn etwa Pfarrer Wolfgang Hock und sein evangelischer Kollege die Schülergruppen durch ihre Kirchen führen.

Auch die anfängliche Sorge um die Erstkommunionvorbereitung ließ sich ausräumen. Wie in vielen Gemeinden bereitete bisher der Pfarrer die Drittklässler Woche für Woche 45 Minuten auf die Erstkomunion vor. Im vergangenen Jahr einigte man sich auf eine vierzehntäglich 90 Minuten Kommunionkatechese beim Pfarrer. Im Wechsel gibt Christine George den Drittklässlern, die nicht in eine der beiden Projektschulen gehen, eine Doppelstunde schulischen Religionsunterricht. Eine Lösung, mit der letztlich alle froh sind: Lehrerin und Pfarrer können in 90 Minuten mit den Schülern besser arbeiten, die Eltern können in dieser Zeit gut etwas erledigen.

Auf dem Zeugnis steht bei den Schülern des Modellprojekts jeweils das Fach, das die Lehrerin vertritt, die hauptsächlich in der Klasse unterrichtet. "Katholischer Religionsunterricht" ist beispielsweise bei den Schülern in Coswig- West zu lesen, versehen mit dem Zusatz "erteilt in konfessioneller Kooperation mit evangelischem Religionsunterricht".

Das Projekt wird im aktuellen Schuljahr an den beiden Schulen in allen Klassenstufen weitergeführt. Zurzeit bemühen sich alle Beteiligten in Coswig gemeinsam darum, den zweistündigen kooperativen Religionsunterricht auch für das Gymnasium und die Mittelschule einzuführen. "Es wäre schön, wenn die Grundschüler beim Schulwechsel nächstes Jahr an ihre positiven Erfahrungen anknüpfen könnten", sagt Monika Scheidler.

Sächsische Religionslehrer und kirchliche Mitarbeiter, die sich näher für konfessionelle Kooperation interessieren, können sich bei der ökumenischen Kommission beraten lassen.

Kontakt: Monika.Scheidler@tudresden.de

Pluspunkte der konfessionellen Zusammenarbeit
  • Lehrer und Kinder erfahren eine neue ökumenische Weite. Gleichzeitig stärkt die glaubwürdige, authentische Übermittlung konfessioneller Besonderheiten ("Warum ist Allerheiligen für meine Lehrerin wertvoll?") die Identifizierung mit der eigenen Konfession
  • Dialogfähigkeit kann eingeübt werden, ebenso wie gegenseitiges Verständnis sowie das Wahrnehmen von religionsbezogenen Besonderheiten und Wertungen
  • In den Schulen wird die Stellung des Fachs Religion verbessert, weil die Vernetzung mit anderen Fächern, besonders mit Ethik, am Schulvormittag möglich ist. Fächerverbindender Unterricht und Projekte können gemeinsam geplant und durchgeführt werden. Ökumenisches Zeugnis macht Christen glaubwürdiger
  • Die christlichen Schüler erleben sich nicht als "kleiner Rest". Dies ist oftmals der Fall, wenn sie vormittags in der Schule eine Freistunde haben, und auch, wenn der nachmittägliche Schulunterricht mehrere Jahrgänge übergreift
  • Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 36 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
    Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 08.09.2005

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