Kein Notnagel oder Lückenbüßer
Über die Verantwortung der Laien in der Kirche
Cottbus - Die Zahl der Priester geht zurück. Ein Pfarrer ist oft für mehrere Gemeinden zuständig. Diese Situation erfordert das stärkere Engagement der Laien. Welche Möglichkeiten es gibt und welche Probleme damit verbunden sind, zeigte ein Abend des Akademieforums in Cottbus.
In den vergangenen Jahrzehnten war es so: Pfarrer, Kaplan und Seelsorgehelferin waren zuständig für die Seelsorge in der Pfarrei. Die Gemeinde wurde von ihnen versorgt und sie ließ sich das auch gerne gefallen. "Bis heute herrscht diese Vorstellung in den Köpfen vieler Gemeindemitglieder", ist der emeretierte Erfurter Kirchenrechtler Konrad Hartelt überzeugt. Bei einer Veranstaltung des Akademieforums in Cottbus bedauerte er, dass es zu wenig im Bewusstsein der katholischen Christen sei, dass alle – Priester, hauptamtliche Mitarbeiter und Laien – zusammen die Verantwortung für die Gemeinde tragen. "Die Gemeinde ist das Subjekt der Seelsorge, nicht das Objekt." Das Gebot der Stunde sei deshalb ein Kirchenverständnis, das von der gemeinsamen Berufung aller Christen ausgeht.
Das Engagement aller ist gefordert
Zumindest theologisch und kirchenrechtlich ist das selbstverständlich. Alle Getauften haben Anteil am Priestertum Jesu Christi und somit an der Heilssendung der Kirche, sagt Hartelt. "Vom Wesen der Kirche her ist deshalb das Engagement aller gefordert." Natürlich sei das Amtspriestertum für die katholische Kirche "konstitutiv und unaufgebbar". Doch hieraus ergeben sich nur spezifische Verantwortlichkeiten der Priester und Laien.
Angesichts der auch in den ostdeutschen Bistümern laufenden Strukturreformen müssen diese eher theoretischen Gedanken in naher Zukunft mit Leben erfüllt werden. Weniger Priester, flächenmäßig größere Pfarrgemeinden – hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer stärkeren Mitwirkung der Laien. Das gilt schon für den normalen Gemeindealltag, denn: Seelsorge ist Aufgabe aller Gläubigen, sagt Hartelt. "Eltern sind beispielsweise die ersten Seelsorger ihrer Kinder." Von der Seelsorge zu unterscheiden sei die Hirtensorge, für die der Pfarrer verantwortlich ist. Die Hirtensorge des Pfarrers ist auf die Seelsorge hingerichtet. An ihr wirken die anderen Priester und die Diakone der Pfarrei mit, und die Laien helfen mit. "Der Pfarrer hat diese Mitwirkung zu respektieren und zu unterstützen", sagt das Kirchenrecht und erteilt damit einer All- und Alleinzuständigkeit des Pfarrers eine klare Absage.
Allerdings sind Laien auch kein Notnagel. Ihre Mitwirkung dürfe gerade dort, wo nicht genügend Priester zur Verfügung stehen, nicht so missverstanden werden, dass sie priesterliche Aufgaben wahrnehmen. Das Kirchenrecht kennt für die so genannte "außerordentliche Mitwirkung" von Laien in der Pfarrseelsorge als Folge des Priestermangels mehrere Lösungen: Zunächst kann ein Pfarrer für mehrere benachbarte Pfarreien zuständig sein. Das Ziel sei hier die Schaffung einer neuen, größeren Seelsorgeeinheit. Zweite Lösung ist die so genannte Teampfarrei: Mehrere Priester teilen sich die Hirtensorge für mehrere Pfarrgemeinden.
Mitwirkung von Laien an der Hirtensorge
Als dritte Möglichkeit kann der Bischof Diakone oder Laien an der Hirtensorge für die Gemeinde beteiligen. Für die Gemeinde wird ein Priester als Moderator ernannt. Dieser ist der Leiter der Gemeinde, weil das – nach katholischem Verständnis – nur ein Priester sein kann, denn Kirche entsteht durch die Feier der Eucharistie. Der Moderator kann ein Ruheständler sein oder ein Priester, der andere Aufgaben als die Pfarrseelsorge wahrnimmt. Er hat zwar alle Vollmachten und Rechte eines Pfarrers, aber nicht alle Pflichten. Deshalb können und müssen Laien einen großen Teil der in der Gemeinde anstehenden Aufgaben übernehmen. Die kirchenrechtlichen Möglichkeiten reichen dabei von der Glaubensunterweisung, über Wortgottesdienste mit Predigt und Begräbnisfeiern bis hin zur karitativen Sorge um Not Leidende und die organisatorischen und pfarramtlichen Aufgaben. Die Grenze liegt dort, wo ein Dienst die Priesterweihe voraussetzt. Das trifft zu auf die Eucharistiefeier, das Bußsakrament und die Krankensalbung.
Den Nachteil einer so weitgehenden Lösung sieht Hartelt darin, dass ein Laie mit all diesen Funktionen von der Gemeinde und von Außenstehenden als Pfarrer angesehen werden könnte. Einerseits kann der Betreffende sich so tatsächlich als Notnagel und Lückenbüßer fühlen. Andererseits entsteht die Frage: Wozu sind geweihte Priester noch nötig? Deshalb werde diese Lösung für das Problem Priestermangel eher die Ausnahme bleiben. In Betracht zu ziehen sei deshalb noch eine andere Lösung: die Auflösung einer nicht mehr lebensfähigen Pfarrgemeinde, die dann in einer Großgemeinde eingegliedert wird.
Welche der vier Möglichkeiten auch immer – größere Gemeinden und weniger Priester fordern mehr Engagement von Laien. "Das Miteinander von Priestern, Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen wird für die Zukunft der Pastoral entscheidend sein", sagt Hartelt. Dafür müssen jetzt die Weichenstellungen vorgenommen werden. Dazu gehört die Suche von geeigneten Laien und deren Qualifikation und Begleitung durch die Seelsorgeämter. Priester müssen zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Laien befähigt werden. Und bei der Schaffung neuer Gemeindestrukturen ist vor allem der Bischof gefragt. Er müsse sich den Gesprächen in den Gemeinden persönlich stellen und solle dabei auf keinen Fall die Laien übergehen, rät der Kirchenrechtler.
Hintergrund
Das Kirchenrecht der katholischen Kirche und die Konzilsdokumente sagen über die Laien unter anderem:
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.09.2005