Weitgehend unbeschadet überstanden
Ein Buch über das Bistum Meißen zwischen 1932 und 1951
"Diktatur und Diaspora" heißt das Buch, in dem Birgit Mitzscherlich die Geschichte des Bistums Meißen zwischen 1932 und 1951 untersucht.
Birgit Mitzscherlich vergleicht die beiden Diktaturen (Nationalsozialismus und DDR) hinsichtlich ihrer Herrschaftsausübung gegenüber der katholischen Kirche am Beispiel des Bistums Meißen. Die im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Diktaturenvergleich in Sachsen entstandene Dissertation soll Forschungslücken im Bereich der Landesgeschichte, der Bistumsgeschichte und der Diasporaforschung füllen.
Erfahrungen wirken bis heute nach
Das 1921 wiedererrichtete Bistum Meißen bewegte sich von Anbeginn in einem schwierigen, wenn nicht gar feindlichem gesellschaftlichen und politischen Umfeld. Diese Erfahrungen wirken bis heute nach. Sie sind Ursache für die Dominanz der Pfarrgemeinden, die unter den Bedingungen der Diktatur die letzte Rückzugsbastion waren, nun aber – so die Autorin in der Einleitung – die katholische Kirche bei ihren Aufbrüchen in die moderne Zeit hemmten.
Untersuchungszeitraum ihrer Studie ist die Amtszeit Bischof Petrus Legges – eine Zeit existenzieller Bedrohungen durch konkurrierende Weltanschauungen, denen der pastoral orientierte Bischof kaum gewachsen schien. Mit seinen überwiegend sozialdemokratisch geführten Regierungen galt Sachsen bereits in der Weimarer Republik als besonders religionsfeindlich. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten schien zunächst eher Verbesserungen zu bringen, da sie die Rolle der Kirchen und einer christlichen Erziehung positiv herausstellten.
Bis Mitte 1935 gab es keine stringente antikirchliche Politik, dann schwenkte das Regime auf einen Konfrontationskurs. Den Nationalsozialisten ging es vor allem – und hierbei gibt es eine große Ähnlichkeit zum Vorgehen der Kommunisten – um das Monopol bei der Kinder- und Jugenderziehung. Die Jugendverbände wurden zerschlagen, die Bekenntnisschule abgeschafft, Möglichkeiten der Kommunikation und der öffentlichen Präsenz immer weiter zurückgedrängt.
In dieser Zeit kam es auch zu einem Devisenprozess gegen den Bischof, der von der Autorin sorgfältig erläutert und bewertet wird. Eine eindeutige Zuordnung dieses Prozesses zum Kirchenkampf scheint nicht möglich zu sein; vielmehr war tatsächlich gegen geltende Gesetze verstoßen worden. Außerdem machte der Bischof im Verlauf des Prozesses keine gute Figur.
Die äußere Anpassung bei gleichzeitiger Intensivierung der kirchlichen Kernaufgaben hatte der katholischen Kirche geholfen, die NS-Diktatur weitgehend unbeschadet zu überstehen. Mit derselben Strategie begegnete sie der zweiten Diktatur. Der offenbar selbstverständliche Verzicht auf öffentliche Kritik und eine wie auch immer geartete Mitgestaltung der Gesellschaft ermöglichte eine weitgehend unbehelligte Religionsausübung innerhalb der Gemeinden.
Nicht zu merklichem Widerstand fähig
Die Autorin, die heute als Abteilungsleiterin für Archiv, Bibliothek und Kunst im Bautzner Diözesanarchiv arbeitet, kommt mit ihrem Diktaturenvergleich zu dem Ergebnis, dass "die kirchenpolitischen Ziele beider Regime aufgrund der ideologischen Konkurrenz, in welcher sie zur katholischen Kirche standen, nahezu gleich waren". Zwar wurden diese Ziele nicht vollständig erreicht, doch entsteht das Bild einer eher passiven, erduldenden Kirche, die zu merklichem Widerstand nicht in der Lage war und diesen auch gar nicht in Erwägung zog.
Hinweis
Birgit Mitzscherlich: Diktatur und Diaspora. Das Bistum Meißen 1932–1951. Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Paderborn 2005, ISBN 3506717995, 88 Euro.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.09.2005