Nicht auf die Risiken geachtet
Kolping-Bildungswerk Sachsen ist am Missmanagement gescheitert
Dresden (as) - Die Internetseite wird seit Monaten überarbeitet. Das Büro des Insolvenzverwalters hält sich bedeckt, seine Beauftragten in Dresden sind ebenfalls nicht zu sprechen. Der Mantel des Schweigens hat sich über das Insolvenzverfahren des Kolping-Bildungswerkes Sachsen gelegt. Die Verbindlichkeiten des Vereins, der Ende des vergangenen Jahres mit 25 Gesellschaften Zahlungsunfähigkeit anmelden musste, sollen inzwischen in dreistelliger Millionenhöhe liegen. Vor allem Selbstüberschätzung der alten Geschäftsführung und Missmanagement in einzelnen Bereichen haben das Unternehmen in diese Situation gebracht. Zu dieser Einschätzung kommt der Bundesgeschäftsführer des Kolpingwerkes Deutschland, Bernhard Hennecke. "Die Leistungsfähigkeit und die Finanzkraft des Unternehmens sind völlig überschätzt worden", sagt er gegenüber dem Tag des Herrn. Man habe das Wachstum der letzten Jahre hochgerechnet und dabei nicht auf die Risiken geachtet.
Das genaue Ausmaß des Schadens sei heute noch nicht absehbar. Eine Einrichtung wie das defizitäre Schloss Schweinsburg zum Beispiel müsse erst von der neuen Betreibergesellschaft auf Vordermann gebracht werden. Erst dann könne man sagen, ob sich die Gläubigerforderungen befriedigen lassen. Nach Angaben Henneckes habe der Insolvenzverwalter Strafantrag gegen die ehemalige Geschäftsführung gestellt. Straftatbstände dürften nach seiner Aussage vor allem die Veruntreung von öffentlichen Geldern und von Vereinsmögen sein. Vorwürfe erhob Hennecke in diesem Zusammenhang auch gegen die Banken. Aus Gewinnstreben hätten sie "zu lange weggeschaut" und bei der Prüfung "beide Augen zugedrückt".
Der Kolping-Bildungswerk Sachsen e.V. gehörte bis zur Insolvenz zu den größten Trägern von freien Bildungsangeboten in den neuen Bundesländern. Er war an über 60 Standorten präsent. Einen Namen hatte sich der Verein vor allem bei der Ausbildung und Förderung von sozial benachteiligten Jugendlichen gemacht. Ausbildungsstätten, Ersatzförderschulen, Lehrlings-und Studentenwohnheime, Gaststättenservice, aber auch ein Reisebüro, eine Tagespflegeeinrichtung, ein Call-Center und eine Werbeagentur: All das gehörte zum Engagement des Kolping-Bildungswerkes Sachsen.
"Die Berufsausbildung stellt den gesunden Kernbereich des Unternehmens dar und kann auch weitergeführt werden", erklärt Bernhard Hennecke. Eine Bestandsaufnahme der einzelnen Einrichtungen hätten Vertreter westdeutscher Bildungswerke schon im Januar vorgenommen und seien zu diesem Ergebnis gekommen. Nun werde überlegt, wie es gelingen kann, die Einrichtungen des Bildungswerkes Sachsen in Kolping-Hand zu behalten. Vom Bundesverband gebe es ein konkretes Angebot, das die Übernahme aller Bildungseinrichtungen vorsieht. Mit den Kolping-Bildungswerken Augsburg, Würzburg und Paderborn solle dann eine Auffang-Gesellschaft gegründet werden, die die Geschäfte weiterführt. Das Angebot sei vom Insolvenzverwalter als Verhandlungsbasis angenommen worden. Die Verhandlungen selbst würden derzeit noch geführt. Der Kolping-Bundesverband, so versichert Hennecke, bemühe sich seit Beginn des Insolvenzverfahrens um eine Lösung. Der gesamte gewerbliche Bereich des Konzerns sei aber inzwischen geschlossen worden.
Vor allem für den Kolpingverband im Osten Deutschlands hatte die Insolvenz des Bildungswerkes Auswirkungen. Die verbandliche Arbeit wurde teilweise von Verantwortlichen wahrgenommen, die auch im Bildungswerk beschäftigt waren. Die Kolpingwerk-Regio gGmbH, die vor allem für die organisatorischen Aufgaben und für die Bildungsarbeit in den Diözesanverbänden Görlitz, Berlin, Dresden-Meißen zuständig war, hat als eine der ersten Gesellschaften schon Ende letzten Jahres ihre Tätigkeit eingestellt. Damit sind wichtige Kommunikationsstrukturen
weggefallen, besonders im Bistum Dresden-Meißen. Benno Jaxy, ehemaliger Diözesanvorsitzender, räumte auf der letzten Diözesanversammlung ein, dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter vom laufenden Geschäftsbetrieb überfordert gewesen seien. Jaxy, so berichtet die Verbandszeitung "Kolpingblatt" im Juli, habe sich bei den Mitarbeitern entschuldigt, die durch die Insolvenz ihren Arbeitsplatz verloren haben.
Wenige Monate vor der Eröffnung des Verfahrens, im Mai 2000, tagte die Bundesversammlung des Kolpingwerkes Deutschland in Dresden und verabschiedete ein neues Leitbild. Dies war vor allem eine Wertschätzung der Kolpingmitglieder im Osten. Wichtig sei, dass es jetzt für den Verband weitergehe, sagt der neue Regionalsekretär des Kolpingwerkes für die Region Ost, Norbert Grellmann. Er ist ab August für die organisatorische und inhaltliche Arbeit in den Kolpingsfamilien der ostdeutschen Bistümer mitverantwortlich. Der Verband selbst habe nach wie vor einen wichtigen Platz in der Kirche und in der Gesellschaft, betont Grellmann. Vor allem in der sozialen Frage habe sich Kolping immer zu Wort gemeldet. Kolpingmitglieder arbeiteten aktiv in den Gemeinden mit. Viele von ihnen würden auch Verantwortung in der Gesellschaft tragen. Er sehe seine Aufgabe in der Umsetzung des neuen Leitbildes und in der Stärkung der Kolpingsfamilien.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 24.07.2001