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Bistum Erfurt

Geheimnisvoll und faszinierend

Leiter des Erfurter Dombauamtes über Ausgrabungen am Domberg

Herr Gold, die Archäologen vermuten, bei Ausgrabungen am Erfurter Domberg auf einen Vorgängerbau von St. Severi gestoßen zu sein. Wie ordnen Sie den Fund

Frage: Herr Gold, die Archäologen vermuten, bei Ausgrabungen am Erfurter Domberg auf einen Vorgängerbau von St. Severi gestoßen zu sein. Wie ordnen Sie den Fund ein?

Gold: Der Fund ist eine tolle Sache. Damit hat keiner gerechnet. Jetzt muss aber überlegt werden, in welchen Zusammenhang sich die Ausgrabungen einordnen lassen. Meiner Auffassung nach liegt das alles noch im Rahmen von Spekulationen. Sicher ist, dass das Mauerwerk von drei Apsiden unterschiedlicher Größe mit unterschiedlicher unsymmetrischer Lage zueinander auf das zwölfte Jahrhundert datiert werden können. Ob es sich tatsächlich um eine Kirche handelt, muss sich erst herausstellen. Dazu fehlen weitere Angaben und Untersuchungen, denn: Für eine romanische Basilika herrschen bestimmte Gesetzmäßigkeiten und diese müsste man auch an den Ausgrabungen wiederfinden können. Wir wissen aus dem Archiv, dass zur Mitte des zwölften Jahrhunderts das Langhaus des Domes neu errichtet wurde und dass in diesem Zeitraum auch irgendwann mit dem Bau der Severikirche begonnen worden ist. Wenn es sich bei den jetzt gefundenen Mauern tatsächlich um die Reste einer eigenen Kirche handelt, stellt sich natürlich die Frage, warum baut man zur selben Zeit noch an einer dritten Kirche. Wir stehen erst am Anfang der Lösung dieses Rätsels. Die Auswertung der Funde ergeben Puzzleteile, die im Moment nicht ineinander greifen.

Frage: Welche weiteren Indizien gibt es, dass die Ausgrabungen nicht einem Vorgängerbau von St. Severi zuzuordnen sind?

Gold: Es gibt Indizien insofern, dass 836 die Reliquien des heiligen Severus nach Erfurt "auf den Berg" gebracht wurden. So belegen es die Dokumente. Also muss es damals schon eine Kirche "auf dem Berg" gegeben haben. Das ist mit Sicherheit nicht der Dom gewesen, sondern eben eine andere Kirche. Ein zweites Indiz ist die Topografie. Verlängert man die Apsiden und versucht das auf einen Lageplan des Domberges einzuzeichnen, dann müsste es aufgrund der Bauweise einer romanischen Kirche ein relativ großer Bau gewesen sein. Das gibt die Fläche am Domberg gar nicht her. Man stieße an den hohen Chor von St. Severi. Diese Unklarheiten stellen wir momentan zusammen und fragen, wie sie einzuordnen sind. Auf alle Fälle bin ich aber vorsichtig mit der Behauptung, die Erfurter Stadtgeschichte müsse jetzt neu geschrieben werden. Das finde ich etwas übertrieben.

Frage: Müssten Sie als Leiter des Dombauamtes nicht hocherfreut sein, dass der Domberg durch diese Entdeckung noch bedeutender werden könnte?

Gold: Ich freue mich über die Entdeckung und ich finde sie spannend. Sie hat etwas Geheimnisvolles und Faszinierendes. So wird Geschichte lebendig. Was immer hier ausgegraben wurde -vielleicht sind es ja sogar nur die Fundamente der Bischofsburg oder Reste eines Baus, der nie fertiggestellt wurde -, der Fund ist auf alle Fälle eine Aufwertung des Domberges. Das ist auch deshalb ein glücklicher Umstand, weil wir gerade dabei sind, den Domgarten einer neuen Nutzung zuzuführen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei solche archäologischen Funde präsentieren zu können, ist natürlich eine Attraktion.

Frage: Wie geht es jetzt weiter, um Licht in die Rätsel der Ausgrabungen zu bringen?

Gold: Wir Deutschen wollen alles immer ganz genau wissen. Vielleicht müssen wir aber im Bereich der Spekulation bleiben und werden die ganze Wahrheit nie ergründen. Es wird auf alle Fälle weitere Ausgrabungen geben. Doch es kann auch sein, dass wir die Lösung des Rätsels nach uns kommenden Generationen mit ihren neuen Techniken und neuen Verfahren überlassen müssen.

Interview: Martin Kliemank

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 25.10.2005

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