Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Bistum Görlitz

Vielleicht zu wenig Lebensnähe

Das Treffen der Gesellschaft für deutsch-polnische Verständigung stieß diesmal auf verhaltenes Echo

Magdalena Mlynczak war von der Tagung beeindruckt. Foto: Ines Eifler

Jauernick - In Scharen kamen sie nicht, obwohl das Thema brisant war. Um die "Kirche im Nationalsozialsmus" ging es beim diesjährigen Treffen der Gemeinschaft für deutschpolnische Verständigung (GdpV) am vergangenen Wochenende in Jauernick.

"Aus dem niederschlesischen Zlotoria, dem früheren Goldgräberstädtchen Goldberg, stammt das polnische Mädchen. Weil Magdalena Mlynczak in Breslau (Wroclaw) Germanistik studiert, braucht sie sich nichts von dem übersetzen lassen, was sie im St.-Wenzeslaus-Stift Jauernick, in Görlitz und Zgorzelec über die katholische Kirche im Nationalsozialismus sieht, hört und erklärt bekommt.

Sie ist eine der wenigen jungen Leute, die an der Tagung der Gemeinschaft für deutsch-polnische Verständigung (GdpV) teilnehmen, aber nicht Mitglied dieser katholischen Initiative sind. Die GdpV widmet sich dem kulturellen Austausch zwischen jungen Schlesiern und solchen Jugendlichen, die das schlesische Erbe auf christlicher Basis lebendig halten. Junge Katholiken aus Polen und Deutschland finden hier über die Geschichte, Literatur, Musik, bildende Kunst und religiöse Kultur Schlesiens zueinander, sollen etwas lernen und dabei Vorurteile abbauen, sofern vorhanden.

"Thomas Maruck hat mich darauf aufmerksam gemacht, und weil ich das Thema interessant fand, bin ich hier", erzählt die 22- Jährige. Der Buchhändler Thomas Maruck ist selbst Mitglied der Gemeinschaft und hat die kleine Gruppe nach einem Tag voller wissenschaftlicher Referate am letzten Oktoberfreitag von früh bis abends durch Görlitz und Zgorzelec geführt. Denn Zeugnisse für das Leben schlesischer Katholiken unter dem Hakenkreuz und danach gibt es hier genug, dies- und jenseits der Neiße.

Magdalena ist jedoch vor allem begeistert von der Gesamtheit der "vielen sehr interessanten historischen Gebäude und Fakten", die sie auf Marucks Stadtführung lernt und so schnell nicht wieder vergessen will. Das Biblische Haus, die Peterskirche und auch die längst entweihte Synagoge haben sie beeindruckt. Gleich daneben die katholische Heilig- Kreuz-Kirche aus dem 19. Jahrhundert, dann aber, geschichtlich bedeutsam für den katholischen Widerstand, die Bonifatius-Kirche in Zgorzelec.

Hier hat Pfarrer Franz Scholz gepredigt, der berühmt durch seine Aufzeichnungen und Tagebücher wurde und einer der wichtigsten Zeugen der letzten Kriegsjahre in Görlitz ist. Er war den Bewohnern des östlich vom Fluss liegenden Stadtteils nicht nur während des Krieges seelsorgerische Stütze, sondern er predigte auch nach 1945 für die nach Zgorzelec "umgesiedelten" Menschen, die soeben ihre ostpolnische Heimat verloren hatten, dann auf polnisch.

Bevor Magdalena wieder nach Breslau fährt, versucht der junge polnische Leiter der GdpV, Gregor Ploch, ein Resümee der viertägigen Begegnung zu ziehen, aber dies ist schwer. Die Haltung der Katholiken zum Nationalsozialismus sei nicht einheitlich gewesen, aber es habe in vielen Kirchen Ansätze und konkrete, meist subtile Versuche gegeben, sich der Ideologie zu widersetzen. Diese dissonanten Zwischentöne müsse man erst noch tiefer erforschen und "pädagogisch aufbereiten", um sie dann allgemeingültig "gebührend herausstellen" zu können, fügte Michael Hirschfeld an, der die GdpV vor Ploch geleitet hat.

Was hier aber eigentlich beklagt wird, ist die im Vergleich zu früheren Tagungen geringe Beteiligung. Sonst seien es mindestens doppelt so viele gewesen, und man müsste viel mehr auf junge Katholiken zugehen, sowohl in Polen als in Deutschland, meint einer der Älteren unter den GdpV-Mitgliedern. "Vielleicht liegt es am Thema? An zu wenig Lebensnähe? Sind wir rückwärtsgewandt?", fragt er, "denn eigentlich wollen wir ja Mittler zwischen heterogenen Gruppen repräsentativer Jugendlicher sein."

Aber da man diese eben erst finden und einladen muss, schließt Gregor Ploch mit der Bitte an alle, bis zum Mai 2006 Leute anzusprechen, für die deutsch-polnische Verständigung zu interessieren und mitzubringen. Dann nämlich findet das nächste Treffen in Glogau (Glogów) statt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 44 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 03.11.2005

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps