Wenn das Gesetz Nein sagt
Über die Arbeit einer Härtefallkommission für abgelehnte Asylbewerber
Magdeburg (kh) - Die Härtefallkommissionen sind oft die letzte Hoffnung für abgelehnte Asylbewerber.
Meistens haben sie nur wenig Zeit, bis sie Deutschland endgültig verlassen müssen. Denn abgelehnte Asylbewerber erfahren ihren Abschiebungstermin, also das Nein des Gesetzes, in der Regel nur wenige Tage vorher. Rechtlich gesehen dürfen sie dann nicht mehr im Land bleiben. Gegen diesen Widerspruch zwischen grauen Paragraphen auf dem Papier und dem Schicksal eines Menschen wendet sich das Aufenthaltsgesetz des neuen Zuwanderungsgesetzes, das zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten ist. Die letzte Hoffnung von abgelehnten Asylbewerbern nennt sich seitdem "Härtefallkommission".
Auch in Sachsen-Anhalt arbeitet seit April ein solches Gremium dafür, dass Ausländer in besonderen "Härtefällen" eine Chance auf ein Bleiberecht bekommen und deshalb, wenn sie dringende persönliche oder humanitäre Gründe vorweisen können, nicht abgeschoben werden. In Sachsen-Anhalt sind 1,9 Prozent der Bevölkerung Ausländer, nicht mitgerechnet Menschen mit Migrationshintergrund, das sind Eingebürgerte und Spätaussiedler. Monika Schwenke, Caritas- Referentin für Migrationsdienste und Migrationsbeauftragte des Bistums Magdeburg, ist Vorsitzende der Härtefallkommission des Bundeslandes.
"Unabhängig von den rechtlichen Vorgaben ist die Kommission dazu da, Fälle nochmals anhand menschlicher Kriterien zu prüfen und dem Innenminister des Landes als Härtefallersuchen vorzustellen", erklärt die 38-Jährige. Dabei untersuchen die acht Kommissionsmitglieder, wie sehr sich die jeweilige Person oder Familie in die deutsche Gesellschaft integriert hat, wie lange jemand bereits in Deutschland gelebt hat oder welche gesundheitlichen Umstände gegen eine Rückkehr sprechen. "Dabei spielen unter anderem Sprachkenntnisse eine Rolle, aber auch das Bemühen um Arbeit oder Ausbildung und das Engagement in der Gesellschaft, wie zum Beispiel in Vereinen, im Schüler- und Elternrat oder sonstige Ehrenämter."
Persönlich müssen die Asylbewerber oder ihre Berater oder eine andere Vertrauensperson an eines der Mitglieder herantreten, das daraufhin selbst entscheiden muss, ob er oder sie den Fall zur Diskussion stellen möchte. Hilfesuchende, die in Deutschland straffällig geworden sind und rechtskräftig verurteilt wurden, werden, je nach Höhe des Strafmaßes, von der Kommission nicht behandelt.
Von allen Seiten wird das Schicksal und das Herkunftsland des jeweiligen Asylbewerbers betrachtet. Dafür sorgt schon die Zusammensetzung der Kommission: Bei den monatlichen Beratungstagen argumentieren Vertreter aus dem Sozial- und Innenministerium des Landes, dem Flüchtlingsrat, der evangelischen und katholischen Kirche, der kommunalen Spitzenverbände und der LIGA der freien Wohlfahrtspflege an einem Tisch. "Ich bin sehr froh darüber, dass wir bisher wirklich jeden Fall individuell, detailliert und sachkompetent betrachtet und ihn, falls es noch Recherchebedarf gegeben haben sollte, auch vertagt haben", sagt die Vorsitzende der Härtefallkommission. "Die Ausländerbehörden in Sachsen- Anhalt setzen dafür auch das Abschiebeverfahren aus, bis wir zu einem Ergebnis gekommen sind. Dazu sind sie laut Härtefallkommissionsverordnung eigentlich gar nicht verpflichtet."
Von April bis Ende September hat die Härtefallkommission 23 Neuanträge bekommen, von denen sie sieben Fälle im Innenministerium vorgestellt hat. Sechs davon hat der Innenminister bereits als positiv beschieden.
"Die Kommission ist kein weiteres rechtliches Instrument für ein abgelehntes Asylverfahren und die Mitglieder müssen nach der Landesverordnung handeln, aber es ist für einige besonders tragische Fälle eine letzte Chance. Jeder Einzelne von uns muss Entscheidungen treffen, die in das Leben eines anderen Menschen eingreifen, und es geht mir auch nicht gut, wenn ich eine Familie zurückschicken muss", sagt Monika Schwenke, die selbst Mutter von vier Kindern ist. Andererseits bestehe im Fall eines negativen Bescheids auch die Gefahr, dass Personen dann in der Illegalität untertauchen. Ganz zu schweigen von emotionalen Reaktionen wie Unverständnis, Wut und Trauer. Geht ein Härtefallverfahren für die Asylbewerber jedoch gut aus, ist die Freude groß. Monika Schwenke hat erfahren, "dass viele dann die ganze Welt umarmen möchten oder erst einmal gar nicht wissen, was sie mit sich anstellen sollen, wenn die Anspannung von ihnen abfällt."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 03.11.2005