Nicht nur ein Kunstwerk
Daueraustellung "Kleines Zittauer Fastentuch" eröffnet
Zittau - Es ist eine weitere Kostbarkeit in der kulturellen Landschaft der Oberlausitz. Mit einem Festakt ist am vergangenen Sonntag die Dauerausstellung "Kleines Zittauer Fastentuch" eröffnet worden.
Ein wahrer Schatz ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht: 432 Jahre nach seiner Entstehung ist das "Kleine Zittauer Fastentuch" jetzt in einer eigenen Ausstellung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Entsprechend groß war das Interesse: An dem Festakt am vergangenen Sonntag in der früheren Franziskanerkirche nahmen neben Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) zahlreiche Vertreter aus Politik und Gesellschaft teil. Den Festvortrag hielt der Präsident der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow.
Seit dem Jahre 2003 hat sich ein eigenes Kuratorium um das Ausstellungsprojekt im Kulturhistorischen Museum des früheren Franziskanerklosters gekümmert. Rund 700 000 Euro hat das Vorhaben gekostet. Hauptförderer ist die Ostdeutsche Sparkassenstiftung, der Löwenanteil von 420 000 Euro kommt jedoch aus dem Förderprogramm "Städtebaulicher Denkmalschutz". "Ohne die vielen Förderer und Einzelspender wäre das Projekt aber nicht zu verwirklichen gewesen", sagte der Direktor der Städtischen Museen Zittau, Volker Dudeck.
Sichtlich beeindruckt zeigte sich der sächsische Landesvater beim ersten Besuch der Ausstellung. Hinter einer hängenden Verglasung präsentiert sich das einzigartige sakrale Kunstwerk in einer Höhe von 4,30 Meter und in einer Breite von 3,50 Meter.
"Das Kleine Zittauer Fastentuch ist auch ein Zeichen für die religiöse Toleranz in der Oberlausitz während der Reformation", betonte der Ministerpräsident. Das Kunstwerk sei von einer evangelischen Gemeinde in Auftrag gegeben worden, obwohl Martin Luther Fastentücher als "papistisch" ablehnte.
Seltene Darstellung von Marterwerkzeugen
Das Bild ist mit Tempera auf Leinen gemalt und stellt die Kreuzigung Jesu dar. Der unbekannte Maler nahm Anlehnungen an Zeitgenossen wie Dürer, Grünewald oder Michelangelo. Die Kreuzesdarstellung wird umrahmt von 30 Symbolen des Leidensweges Jesu wie Geißelsäule, Dornenkrone oder Lanze und gehört zu den Fastentüchern des so genannten "Arma-Christi (Waffen Christi)-Typs". "Damit ist das Kleine Fastentuch kunsthistorisch noch bedeutender als das Große, das seit Jahren die Besucher aus aller Welt anzieht", erläuterte Direktor Volker Dudeck. Weltweit gebe es davon nur noch sechs. "Das einzige in Deutschland hängt in Zittau."
Eine Station auf der "Via Sacra"
Das Fastentuch, für das im Museum ein eigener Ausstellungsraum geschaffen wurde, sei aber eben nicht nur ein Kunstwerk, sondern für die Menschen des Mittelalters ein "Bild zur Besinnung, zum Gebet, zur Reinigung der Seele gewesen", betonte der Vertreter des evangelischen Kirchenvorstandes, Dietmar Isensee. Die Geschichte des Fastentuches sei somit auch eine Geschichte Gottes mit den Menschen.
Das Kleine Zittauer Fastentuch, das von Dekan Michael Dittrich sowie den evangelischen Geistlichen der Stadt am Eröffnungstag gesegnet wurde, ist auch Station auf der "Via sacra", einer neuen touristischen Route, die 16 sakrale Bau- und Kunstwerke im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien miteinander verbindet. "Die Route soll Menschen aus ganz Europa anregen, eine gemeinsame Kulturregion wieder zu entdecken", beschreibt Zittaus Oberbürgermeister Arno Voigt das Anliegen. In einer Zeit verstärkter Sinnsuche des Menschen biete sie darüber hinaus die Möglichkeit, sich auf die besondere Ausstrahlung der Orte einzulassen sowie Ruhe, Besinnung und Einkehr zu finden.
Informationen und Buchtipp
Die Dauerausstellung ist im Kulturhistorischen Museum Franziskanerkloster Zittau zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 12 Uhr sowie 13 bis 17 Uhr, Infos unter Tel. 0 35 83 / 55 47 90, Internet: www.zittauer-fastentuecher.de
BuchtipZu den Weihnachtsbildern des Großen Zittauer Fastentuchs hat der Zittauer Dekan Michael Dittrich die biblischen Weihnachtstexte und entsprechende Psalmen gestellt und durch eigene meditative Gedanken ergänzt. Entstanden ist ein Begleitbuch für einen geistlichen Weg durch die Advents- und Weihnachtszeit. Der Autor, der seit einigen Jahren im Wechsel mit evangelischen Geistlichen monatlich zu Besinnungsstunden vor dem Großen Zittauer Fastentuch einlädt, will mit dem Buch seine Leser zugleich neugierig machen, sich die Zittauer Fastentücher einmal im Original anzuschauen. "Es ist gut, dass die Bilder aus dem Mittelalter in die heutige Zeit betend und meditierend übersetzt werden", hat Kardinal Karl Lehmann in seinem Vorwort zu dem 94 Seiten starken Band geschrieben. (dw)
Michael Dittrich: Gott behüte deinen Weg. Gebete und Meditationen für die Advents- und Weihnachtszeit; St.-Benno-Verlag Leipzig 2005; ISBN 3-7462- 1875-6, Preis 9,90 Euro
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 14.11.2005