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Wie zwei Gemeinden in Erfurt zusammenwachsen
Erfurt (as) - Es ist kein Geheimnis: Die Zusammenlegung von Pfarrgemeinden aus Personalgründen ist immer noch ein schwieriges Thema. Ein Pfarrer, zwei Pfarrgemeinderäte, zwei Kirchenvorstände, verschiedene Kreise und Gruppen, Gottesdienste, die vielleicht gestrichen werden müssen. Unterschiedliche Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden. Und schließlich heißt es, von lieb gewordenen Gewohnheiten Abschied zu nehmen.
Peter Matheis, seit 1987 Pfarrer der Gemeinden von St. Wigbert und St.Crucis in Erfurt, kann ein Lied davon singen. "Die beiden Gemeinden wurden schon 1982 zusammengelegt", erzählt er. Dies sei, so Matheis, wie in einem gut bewohnten Haus, in das plötzlich noch jemand einziehe. "Da muss man zusammenrücken, es wird eng, es gilt Rücksicht zu nehmen. Dass es dann zu Unstimmigkeiten kommt, ist etwas völlig Normales." Entscheidend sei, wie man miteinander umgeht, wie man sich arrangiert und ob man bereit ist, aufeinander zuzugehen. Dass die Sache bei einer Fusion nicht von vornherein verloren ist, beweist das Beispiel von St. Wigbert und St. Crucis. Damals, so berichtet Pfarrer Matheis, haben die Pfarrgemeinderäte ihre Sitzungen getrennt durchgeführt. "Für zwei Jahre haben wir uns dann für beide Pfarrgemeinderäte ein Beraterteam geleistet, bestehend aus einem evangelischen und einem katholischen Pfarrer, etwas was man heute als Supervision bezeichnen würde". Dabei sei es vor allem darum gegangen, Möglichkeiten des Zusammenlebens zu entdecken. "Schon im zweiten Jahr gab es gemeinsame Pfarrgemeinderatssitzungen, heute gibt es nur noch einen Pfarrgemeinderat", sagt Matheis. Es gehe weniger darum, eine rechtliche Einheit, sondern eine "pastorale" Einheit zu werden.
Aber nicht nur für die Gläubigen, auch für die Priester, die plötzlich zwei Pfarreien betreuen sollen, ist es nicht leicht. Peter Matheis: "Auch der Priester hat nur 100 Prozent Kräfte zur Verfügung. Da musste manches verändert werden, vor allem in den Gottesdienstordnungen. Es kann eine Person nicht das schaffen, was vorher zwei gemacht haben". Der Pfarrer plädiert dafür, dass sich der Priester vor allem auf die pastorale Leitung in der Gemeinde konzentrieren kann. Von den Leitungsaufgaben in den Bereichen Verwaltung und Baumaßnahmen müsse der Seelsorger in Zukunft entbunden werden. Diese Aufgaben könnten kompetente Laien weitaus besser als der Pfarrer erledigen.
Dass die Gläubigen von St. Wigbert und St. Crucis trotz der anfänglichen Schwierigkeiten zusammengefunden haben, beweisen die zahlreichen Aktivitäten in der Gemeinde. Ein ökumenischer Kreis hat sich ebenso etabliert wie ein Kreis zur Erwachsenenkatechese oder ein Förderverein für die Barockorgel in St. Crucis. Die Einrichtung der "Diakonischen Kasse" zum Beispiel hilft Menschen, die in Not geraten sind oder Unterstützung benötigen. Gemeindemitglieder spenden in unterschiedlicher Form, manche regelmäßig, manche einmalig. Ein Diakonie-Ausschuss entscheidet über die Vergabe der Gelder. "Das Besondere an der Diakonie-Kasse ist, dass niemand Unterstützung für sich beantragt, sondern immer für einen anderen", erläutert Pfarrer Matheis. Dadurch habe die Gemeinde den Blick dafür geschärft, was um sie herum passiert. St. Wigbert und St. Crucis unterhalten außerdem Beziehungen zu einer Partnergemeinde in Tansania. Ein eingetragener Verein fördert die verschiedensten sozialen Projekte. Die Hilfe reicht von der Ausstatttung mit landwirtschaftlichen Geräten, Schulmaterial oder die Sicherung der Wasserversorgung. Die größten Projekte waren bisher der Neubau eines Waisenhauses und eines Krankenhauses.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 27.07.2001