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Bistum Magdeburg

Eine Chance für mehr Arbeit

Katholische Unternehmer befassten sich mit der so genannten Magdeburger Alternative

Magdeburg - Seit drei Jahren ist die so genannte "Magdeburger Alternative" im Gespräch. Sie will einen Weg bieten, wie wieder mehr Menschen in Erwerbsarbeit gebracht werden können. Jetzt war das Modell Thema bei einer Veranstaltung katholischer Unternehmer in Magdeburg.

In den zurückliegenden zwölf Monaten sind in Deutschland 409 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gegangen. 4,56 Millionen Menschen sind arbeitslos, weitere 1,415 Millionen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, darunter allein 300 000 in Ein-Euro-Jobs. Vor allem wenig Qualifizierte sind von Arbeitslosigkeit betroffen – Tendenz steigend. Um der immer mehr um sich greifenden Langzeitarbeitslosigkeit mit ihren Auswirkungen zu begegnen, haben die Magdeburger Hochschullehrer Joachim Weimann und Ronnie Schöb bereits vor drei Jahren das "Magdeburger Modell" entwickelt. Sie schlagen vor, den Anreiz für Arbeitssuchende zu erhöhen und zugleich Arbeit durch Zuschüsse für Betriebe billiger zu machen – mit Geldern, die sonst für die Unterstützung Arbeitsloser gezahlt werden müssten.

Das Modell war jetzt Thema eines Abends im Magdeburger Roncalli-Haus, zu dem der Bund Katholischer Unternehmer, Diözesangruppe Magdeburg, eingeladen hatte. Dazu waren nicht nur Professor Weimann, sondern auch Staatssekretär Reiner Haseloff vom Wirtschaftsministerium und der Magdeburger Handwerkskammerpräsident Klaus Medoch gekommen.

Für ALG II-Empfänger bestehe derzeit kaum Anreiz, sich um Arbeit zu bemühen. Denn "wer auf ALG II angewiesen ist und Arbeit aufnimmt, wird mit Unterstützungsentzug zwischen 80 und 100 Prozent bestraft", so Weimann. Nach dem Magdeburger Modell sollen Arbeitsunwillige keine Unterstützung erhalten. Gleichzeitig sollen die Bruttolöhne für Geringqualifizierte gesenkt werden, ohne deren Nettoeinkommen anzutasten. Möglich werden könne dies, indem Betriebe, die zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, von den Sozialabgaben für diese Stellen befreit werden. Geld, das sonst für die ALG II-Empfänger gezahlt würde, könnte dafür bereitgestellt werden.

Weimann und Schöb gehen davon aus, dass Betriebe wieder Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich einführen, wenn diese Arbeit bezahlbar ist. Um dies zu erreichen und Entlassungen von in Arbeit stehenden Mitarbeitern zugunsten von bezuschussten zu verhindern, soll der jeweilige Betrieb zusätzlich zu einer neu geschaffenen Stelle von den Sozialabgaben für einen Arbeitsplatz im Bestand befreit werden. Dabei soll die Freistellung an die Stelle gebunden sein, sodass dem beruflichen Aufstieg des Arbeitenden nichts im Wege steht und sein alter Platz ohne Verluste für das Unternehmen neu besetzt werden könnte. Neue Kosten würden dem Staat nicht entstehen, so Professor Weimann. Denn für den Langzeitarbeitslosen müsse der Staat Lebensunterhalt, Sozialleistungen und Wohngeld bereitstellen. Nun aber könnte das Geld in Arbeitsplätze fließen und dabei noch gespart werden, rechnete Weimann vor.

Staatssekretär Reiner Haseloff vom Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalts zeigte sich skeptisch hinsichtlich der Praktikabilität des Modells. Benötigt würden viele neue Arbeitsplätze im Bereich einfacher Arbeiten. Doch das Potential werde "völlig überschätzt", so Haseloff. "Diese Arbeitnehmer werden nicht gebraucht." Die Unternehmen hätten kaum Arbeit für drei bis vier Euro Brutto. Im Gegenteil, in Sachsen-Anhalt seien die Mitarbeiter der Unternehmen nur zu schätzungsweise 70 Prozent ausgelastet, die übrigen 30 Prozent würden mitgeschleppt, die Kosten über gedrückte Löhne aufgebracht. Viele einfache Arbeiten seien in der Praxis wegrationalisiert. Dass sie von Arbeitnehmern geleistet werden könnten, sei in den Köpfen der Unternehmer nicht mehr im Blick.

Unter der alten Bundesregierung sei in entsprechenden Gremien auch das Magdeburger Modell diskutiert worden, so Haseloff. Niemand habe das Risiko einer Vorfinanzierung und dauerhaften Subventionierung der Sozialabgaben auf sich nehmen wollen. Zudem befürchte man Mitnahme- und Einspareffekte. Neue Auftragslagen müssten erzeugt werden, um Arbeit im unteren Lohnsektor zu schaffen.

Während vielerorts in Deutschland 90 Prozent der vorhandenen Mittel der Arbeitsagenturen in Zuschüsse für Unternehmensgründungen gesteckt werde, seien in Sachsen-Anhalt immerhin 40 Prozent in die Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen gegangen, 60 Prozent in Starthilfen für Unternehmen. Angesichts der Möglichkeiten im Rahmen der großen Koalition werde es zunächst einmal darum gehen, über eine Verbesserung der Regelungen des Sozialgesetzbuches 2 (Hartz IV) eine "größere Schlüssigkeit" hinzubekommen.

Handwerkskammerpräsident Medoch forderte die Politik auf, bessere Bedingungen für den Mittelstand zu schaffen. Im Blick auf die Mageburger Alternative meinte Medoch, er würde die Beschäftigungsinitiative unterstützen, wenn die angestellten Berechnungen stimmen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 46 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 17.11.2005

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