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Christlicher Glaube und Evolutionstheorie

Dresden - "Schöpfung und Evolution" ist das Thema dieses Interviews mit dem Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden–Meißen und deren Geistlichem Rektor, Jesuitenpater Clemens Maaß. Anlass ist die zurzeit in Dresden gezeigte Ausstellung über die Evolution.

Herr Dr. Klose, an Sie als Naturwissenschaftler die Frage: Ist die Evolutionstheorie eine naturwissenschaftliche Theorie oder inzwischen eine erwiesene Tatsache?
    Klose: Zunächst ist sie eine Theorie. Dass dieser Theorie allerdings ein Prozess in der Wirklichkeit zugrunde liegt, das ist eine Tatsache. Ob dieser Prozess ausschließlich durch die Evolutionstheorie beschrieben werden kann und ob diese alle Aspekte des Lebens beinhaltet, das bleibt offen. Ich will damit die Evolutionstheorie nicht infrage stellen, denn sie ist sehr plausibel. Aber ich wehre mich dagegen, sie zu verabsolutieren.
Pater Maaß, die Frage an den Theologen: Ist die Evolutionstheorie mit dem christlichen Glauben vereinbar?
    Maaß: Aus kirchlicher Sicht ist die Evolutionstheorie heute als mögliche Sichtweise anerkannt, insofern sie auf die Frage antwortet, wie sich etwas entwickelt. Allerdings dürfen die Grenzen dieser Fragestellung nicht überschritten werden, das heißt: Naturwissenschaftliche und theologische Fragestellung müssen klar unterschieden werden.
Und wie muss der Christ dann die biblischen Schöpfungsberichte lesen?
    Maaß: Das hängt mit dem Unterschied zwischen naturwissenschaftlicher und theologischer Fragestellung zusammen. Auch wenn einige fundamentalistische Kreise das anders sehen: Die biblischen Schöpfungserzählungen sind keine naturwissenschaftlichen Berichte. Die katholische Kirche sagt, dass es sich bei den Schöpfungsberichten um literarische Formen handelt, in denen die Menschen sich, inspiriert von Gottes Geist, über die Beziehung Gottes zur Welt verständigen. Sie sind Erzählungen, die nach dem Ursprung, dem Ziel und dem Sinn der uns umgebenden Wirklichkeit fragen. Sie fragen nach dem Warum und dem Wozu, nicht nach dem Wie. Die Botschaft der Schöpfungserzählungen heißt: Die ganze Wirklichkeit und unser menschliches Leben kommen von Gott. Er hat diese Wirklichkeit gewollt und er hat ihr ein Ziel gegeben. Deshalb ist die Schöpfung gut und sinnvoll.
Die radikalen Vertreter der Evolutionstheorie sagen dagegen, der Mensch müsse sich damit abfinden, ein Produkt des Zufalls zu sein. Was kann der Christ dem entgegensetzen?
    Klose: Im Erkenntnisprozess entwerfen wir verschiedene Bilder von der Wirklichkeit. Einzelne Bilder zeigen aber immer nur bestimmte Perspektiven, nie das Ganze. Das gilt auch für die naturwissenschaftliche Beschreibung des Menschen, die immer nur eine bestimmte Perspektive, nicht aber das ganze menschliche Sein im Blick haben kann. Wenn der Mensch dann auf eine solche Perspektive reduziert wird, wird das der Wirklichkeit als ganzer natürlich nicht gerecht. Das gilt um so mehr, weil vieles, was den Menschen ausmacht, gar nicht in die Möglichkeit naturwissenschaftlicher Beschreibung fällt: Liebe, Schönheit, Trauer..
Dem religiösen Glauben haftet ja aus DDR-Zeiten der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit an. Wie sieht die moderne Theologie das Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Glauben?
    Maaß: Wer mit den Methoden einer bestimmten Naturwissenschaft auf die Welt sieht, dem muss klar sein, dass er nur bestimmte Ergebnisse erhalten kann. Deshalb ist jeder Naturwissenschaftler gut beraten, wenn er Fragestellungen anderer Wissenschaften nicht prinzipiell ausschließt. Jede Wissenschaft braucht den Dialog mit anderen Wissenschaften. Das gilt auch für die Theologie. Deshalb müssen Glaube und Wissen sich nicht gegenseitig ausschließen, wenn jeweils klar ist, von welchem Zugang her sie über die Wirklichkeit sprechen. Übrigens wird auch die Wissenschaft den Glauben immer wieder kritisch anfragen und so davor bewahren, blind oder fanatisch zu werden.
    Klose: Das Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Glaube erklärt sich aus der unterschiedlichen Fragestellung. Naturwissenschaften beantworten Wie-Fragen. Sie erklären, wie es zu etwas gekommen ist. Religiöse Fragen beantworten Warum-Fragen. Sie versuchen die Sinndimension aufzuzeigen. Die eigentliche Frage im Verhältnis von Naturwissenschaft und Glaube ist nun: Warum akzeptieren wir Antworten auf Wie-Fragen als Antworten auf Warum-Fragen. Für die Evolutionstheorie heißt das: Dass wir wissen, wie das Leben sich entwickelt hat, sagt noch lange nichts darüber aus, warum es sich entwickelt hat, welchen Sinn und welches Ziel es gibt.
Kann nur der religiöse Mensch eine Antwort auf die Warum-Fragen finden?
    Klose: Nein, denn jeder Mensch ist in der Lage, über sich selbst hinaus zu denken. Ich will niemandem, der bisher nichts von Religion erfahren hat, absprechen, dass auch in seinem Leben eine Sinndimension aufscheint. Solche Sinndimensionen sind dann häufig innerweltlich verankert: die Weitergabe des Lebens an die Kinder, die Sorge um die Armen, künstlerische Tätigkeit oder der Drang nach wissenschaftlicher Erkenntnis sind Beispiele dafür. Selbst in der DDR gab es eine solche Sinndimension, nämlich die Gestaltung der kommunistischen Gesellschaft. Die Frage ist, ob man nicht die innerweltlichen Sinndimensionen noch einmal übersteigen muss, und die generelle Sinnfrage stellt. Diese führt dann zu einer religiösen Fragestellung.
Manche Naturwissenschaftler wehren sich gegen den Dialog mit der Theologie, weil sie der Kirche eine wissenschaftsfeindliche Haltung vorwerfen. Ist die Kirche wissenschaftsfeindlich?
    Maaß: Nein. Hier gilt es genau hinzusehen. In der katholischen Kirche gibt es offizielle Verlautbarungen, die betonen, dass der Glaube nie ohne die Anstrengung des Wissens angeeignet werden darf. Ein blinder Glaube widerspricht katholischem Selbstverständnis. Dennoch kam es in der Geschichte vor allem zwischen den neuzeitlichen Naturwissenschaften und der Kirche zu Spannungen. Fraglos ist auch, dass es Grenzüberschreitungen seitens der Kirche gab. Daraus eine grundsätzliche Wissenschaftsfeindlichkeit zu konstruieren, ist historisch und sachlich falsch.
    Klose: Wenn man die ganze 2000- jährige Geschichte der Kirche betrachtet, kann man ja sagen, im Mittelalter waren die Klöster sogar die Zentren der Wissenschaft. Das änderte sich erst, als die Wissenschaften sich von der Kirche emanzipierten. Dass die Kirche dann aus ihrer Perspektive auch kritisch auf die Wissenschaften schaut, konnte durchaus zu Spannungen führen. Wer will, kann der Kirche so durchaus vorwerfen, dass sie sich gegen den Fortschritt stellt. Aber nehmen wir einmal ein Beispiel aus der Gegenwart: die aktuelle Bioethikdebatte. Wenn hier nicht die Kirche vom Sinn des Lebens und der Menschenwürde sprechen würde, dann würde diese Dimension verloren gehen. Ist Kirche aber deshalb wissenschaftsfeindlich, weil sie diese Positionen in die Diskussion einbringt?

Interview: Matthias Holluba



Hinweis

Die Katholische Akademie des Bistums Dresden–Meißen veranstaltet zusammen mit der Technischen Universität Dresden eine Ringvorlesung zum Thema "Evolution und Schöpfung" (jeweils dienstags 20 Uhr im Haus der Kathedrale). Außerdem lädt die Akademie zusammen mit dem Bischof-Benno-Haus Schmochtitz im Februar zu einer Winterakademie "Kreativität" ein, bei der es ebenfalls um Schöpfung und Evolution geht. Infos im Internet: www.ka-dd.de oder telefonisch unter (0351) - 484 47 42.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 47 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 24.11.2005

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