Da wachsen einem Flügel
Ein Verein für Angehörige psychisch Kranker
Leipzig - Dem psychisch erkrankten Angehörigen oder Freund kann nur der wirklich eine Hilfe sein, dem es selbst gut geht. Auf diese Erfahrung gründete sich vor zehn Jahren der Leipziger Verein "Wege". Was als zartes Pflänzchen begann, ist zu einem bundesweiten Vorzeigeprojekt geworden.
Wenn man sich nicht in seinem Kummer vergräbt, sondern anderen hilft, dann wachsen einem Flügel", sagt Monika Schöpe. Die engagierte Leipziger Katholikin ist seit der Gründung ehrenamtliche Vorsitzende des Vereins "Wege". Sie weiß aus eigener Betroffenheit, was es bedeutet, wenn ein Familienmitglied psychisch erkrankt: Soziale Kontakte und die berufliche Zukunft geraten ins Wanken, und dabei brauchen die Erkrankten sehr lange, bis sie sich eingestehen können, hilfsbedürftig zu sein. Für die Angehörigen ist die Sorge oft so belastend, dass die eigene Gesundheit in Gefahr gerät.
In der Kontakt- und Beratungsstelle des Vereins in einem Plagwitzer Hinterhof geben Monika Schöpe und ihre zumeist nicht christlichen Mitstreiter ihre Erfahrungen an andere Familien weiter, die mit ähnlichen Schicksalen leben müssen. Bereits vor einiger Zeit hat der Verein spezielle Beratungs- und Therapie-Angebote für Kinder und Jugendliche mit psychisch kranken Eltern initiiert. Unter anderem haben die Therapeuten Kontakt zu Kindern bekommen, die nicht mehr in die Schule gingen, weil sie sich für ihre Eltern verantwortlich fühlen. Ein 14-Jähriger beispielsweise hatte seiner Mutter bereits bei drei Suizidversuchen das Leben gerettet. Die Kinder- und Jugendberatungsstelle ist Teil des Vereins- Projekts "Lebensräume zur Bewältigung seelischer Krisen" . Ein Hilfsangebot nach dem anderen haben die Mitglieder in den vergangenen Jahren ins Leben gerufen: Das ambulant betreute Wohnen, ein Beschäftigungsprojekt für 40 Langzeitarbeitslose, die eine Parkanlage pflegen. In Vorbereitung ist eine familienorientierte Wohngemeinschaft für junge Frauen und Männer mit Schizophrenie.
Ein derart weitreichendes Netzwerk gibt es kaum in einer anderen deutschen Stadt, so dass Monika Schöpe und ihre Kollegen immer wieder zu deutschlandweiten Fachkongressen eingeladen werden, um ihre Arbeit vorzustellen. Ohne Spenden wäre die Arbeit des Vereins undenkbar. Besonders freut sich Frau Schöpe über die Unterstützung des Leipziger Propstei-Chores, in dem sie selbst früher mitgesungen hat. Chor und Orchester der Propstei führen zugunsten der "Wege"-Projekte am 10. Dezember um 19.30 Uhr in der Propsteikirche das Weihnachtsoratorium von Heinrich von Herzogenberg auf.
Informationen
Kontakt- und Beratungsstelle Wege e. V.
Lützner Str. 75
04177 Leipzig
Tel. (0341) - 9 12 83 17, Internet: www.wege-ev.de
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 02.12.2005