Das Leben auf Gott hin orientieren
Zum Gedenktag von Adolf Kolping
Die Kirche feiert an diesem Sonntag das Fest des seligen Adolph Kolping. Sein Werk ist geprägt von einer tiefen Frömmigkeit und vom unerschütterlichen Glauben an die soziale Gerechtigkeit.
Seit Generationen wird Adolph Kolping (1813 bis 1865) als der "Gesellenvater" verehrt. Er trägt diesen Namen zu Recht, denn er ist den Gesellen seiner Zeit ein wirklicher Vater gewesen. Viele Berichte zeugen davon, dass dieser Priester zu Hause oder auch auf seinen vielen Reisen sein väterliches Wesen gerade den jungen Handwerkern zuteil werden ließ. Doch wird man ihm nicht gerecht, wenn man kurzschlüssig daraus folgert, er habe seine einzige Aufgabe darin gesehen, den oft verwahrlosten Gesellen aus ihrer aussichtslosen, verfahrenen und verkommenen Situation herauszuhelfen.
Die These, Kolping sei aus Mitleid zu seinen Standesgenossen – er selbst war Schuhmacher – Priester geworden, um dann als priesterlicher Retter "Gesellenvater" sein zu können, stimmt einfach nicht. Je tiefer man das Leben Adolph Kolpings, sein Denken, Wollen und Empfinden zurückverfolgt, umso mehr kommt man zu dem Schluss, dass das Schuhmacherhandwerk für ihn eine vorläufige Lösung war. Durch die Begegnung mit guten Priestern und durch den festen Willen, für den katholischen Glauben einzutreten, wuchs in ihm der Wunsch, selbst Priester zu werden. Wenn wir davon wenig in seinen Aufzeichnungen finden, so können wir doch sagen, dass besonders die Atmosphäre in seiner Familie prägend war.
Der tiefste und letzte Grund dafür, dass Adolph Kolping so war, wie er war, ist seine feste Religiosität, seine tief gehende Frömmigkeit, seine uneingeschränkte Liebe zur katholischen Kirche gewesen. Es ging ihm darum, Gott in dieser Welt zu dienen, und das wollte er tun, indem er die Kirche überall präsent werden ließ, sie zu festigen versuchte, wo sie ins Wanken zu geraten schien, und sie verteidigte, wo sie angefeindet wurde.
Kolping war davon überzeugt, dass die Not in der Welt in dem Maß abnimmt, wie der Glaube an Gott und das Leben nach christlichen Grundsätzen zunimmt. Daher sah er seine Aufgabe darin, mit allen Kräften das private und das öffentliche Leben christlich zu gestalten und möglichst viele Menschen zu befähigen, es ihm gleichzutun. Wenn wir also heute von dem "Werk Adolph Kolpings" sprechen, das wir in unserer Zeit fortsetzen, dann können wir darunter nur verstehen: Das ganze Leben muss christlich sein!
Zur Erreichung dieses Zieles kam Adolph Kolping ein klares Denkvermögen, ein fester Wille und ein gutes Organisationstalent zugute. Er dachte und handelte nicht in den leeren Raum hinein, er theorisierte nicht nur, sondern hatte die Gabe, eine Situation klar zu erfassen und sie seinem Ideal dienstbar zu machen.
Dabei erkannte er aber auch, dass er sein Ziel nur schrittweise ansteuern, dass die dringend notwendige Veränderung der Welt nicht mit allen Menschen zugleich erreicht werden kann, sondern dass er mit Einzelnen beginnen muss.
Diese Einzelnen müssen aber frei und unabhängig sein, müssen einen festen Glauben und Bildung besitzen und in allen Lebensbereichen "tüchtig" sein. Diese Voraussetzungen waren damals am besten im Handwerkerstand gegeben. Kolpings Gedankengang war: Wie heute die Gesellen geformt sind, so handeln die Meister morgen, und so wird übermorgen das Leben im ganzen Volk sein.
Alle praktische Arbeit, ob es seine große publizistische Tätigkeit oder die Sorge um die Gesellenhospize, seine umfangreiche Korrespondenz oder seine Reisetätigkeit, die Strukturierung des Vereins oder die Sorge um eine befriedigende Lebenssicherung der Gesellen waren – alles war dem einen Ziel zugeordnet: Das Leben der Menschen auf Gott hin zu orientieren. Dann wird, so war Adolph Kolping überzeugt, auch die soziale Not beseitigt werden können. Sein Prinzip ist heute, in einer Zeit tiefer gesellschaftlicher Umbrüche, aktueller denn je: Nicht die Veränderung der Verhältnisse bessert den Menschen, sondern der bessere Mensch ändert die Verhältnisse.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 02.12.2005