Bistum Dresden-Meißen
Unschuldige schützen
Interview mit dem Dresden-Meißen Beauftragten für Fälle von sexuellem Mißbrauch
Taucha- Im Nachbarbistum Magdeburg hat ein Jahrzehnte zurückliegender Fall von Kindesmissbrauch durch einen Priester breite öffentliche Diskussionen ausgelöst. Prälat Armin Bernhard, Beauftragter für Missbrauchsfälle im Bistum Dresden - Meißen, gibt Auskunft, wie hier mit diesem Thema umgegangen wird.
Sind im Bistum Dresden - Meißen Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester oder kirchliche Mitarbeiter bekannt geworden?
Ich weiß zum Glück von keinem einzigen Fall, nicht in den drei Jahren, seit ich Beauftragter bin, aber auch nicht davor.
Was täten Sie, wenn ein Fall an Sie herangetragen würde?
Ich würde mich als erstes mit dem Bistums-Juristen zusammensetzen, und wir würden dann mit allen Personen sprechen, die involviert sind: mit den Betroffenen, sofern es Minderjährige sind, mit ihren Eltern, mit möglichen Zeugen und natürlich mit dem beschuldigten Priester. Sehr wichtig wäre es mir dabei, zunächst die Glaubwürdigkeit der Anzeige zu überprüfen. Wenn ich mir da nicht sicher wäre, würde ich auch Fachleute hinzuziehen. Gerade jetzt, da dieses Thema sehr hochkocht, gibt es auch falsche Verdächtigungen.
Die beiden obersten Ziele sind, Personen aus der Kinderpastoral zu entfernen, die für andere gefährlich sind, und Unschuldige zu schützen - Opfer ebenso wie fälschlich Verdächtigte.
Die beiden obersten Ziele sind, Personen aus der Kinderpastoral zu entfernen, die für andere gefährlich sind, und Unschuldige zu schützen - Opfer ebenso wie fälschlich Verdächtigte.
Was geschieht aber, wenn sich ein Verdacht bestätigt?
Dann kann es zu einem kirchlichen Disziplinarverfahren und zu einem staatlichen Gerichtsverfahren kommen. Man sollte unterscheiden, ob es sich um einen einmaligen emotionalen Durchbruch handelt oder um eine dauerhafte Fehlentwicklung. Letzteres würde sicherlich dazu führen, dass der Priester nicht mehr an einer Stelle eingesetzt wird, wo er mit Kindern zu tun hat. Früher war es in manchen Bistümern üblich, die Priester dann einfach zu versetzen. Das war sicher das Schlechteste, was man tun konnte.
Seitdem die große Zahl von Missbrauchsfällen in den USA öffentlich wurde, trauen sich auch hiesige Priester oft kaum noch, unverkrampft herzlich mit Kindern umzugehen. Was raten Sie Ihren Kollegen da?
Ich denke, Vorsicht ist tatsächlich angebracht, aber man sollte sich auch ein Stück Spontanität bewahren. Ich selbst halte mich sehr zurück mit Zärtlichkeiten. Das Äußerste, was ich mir erlaube, ist einem Kind über den Kopf zu streicheln oder die Hand auf die Schulter zu legen. Meinem französischen Kaplan habe ich abgeraten, Kinder auf den Schoß zu nehmen, auch wenn das in seiner Kultur ganz normal sein sollte. Oberste Richtschnur sollte sein, was die Eltern der Kinder wünschen. Ich würde niemals mit fremden Kindern in einer Weise umgehen, die ihren Eltern missfällt.
Im Bistum Magdeburg war von finanziellen Leistungen für das Opfer die Rede. Würden Sie das auch im Bistum Dresden - Meißen in Erwägung ziehen?
Geld hat eine zu große Anziehungskraft. Ich fürchte, dass man damit falsche Verdächtigungen provozieren könnte. Helfen kann den Opfern letztlich nur eine Therapie. Wichtig ist sicherlich auch, dass sie sich aussprechen können und dass ihnen zugehört wird.
In der Öffentlichkeit wurde sexueller Missbrauch durch Geistliche immer wieder als zwangsläufige Folge des angeblich menschenfeindlichen Pflichtzölibats dargestellt. Was halten Sie von dieser These?
Sexueller Missbrauch hat überhaupt nichts mit dem Zölibat zu tun. Das wird ja allein schon daran deutlich, dass solche Fälle auch bei Verheirateten auftreten. Auch ist es grundfalsch, Homosexualität und Kindesmissbrauch automatisch miteinander in Verbindung zu bringen. Natürlich stehen Priester unter besonderer Beobachtung, aufgrund ihrer hervorgehobenen Stellung und aufgrund des moralischen Anspruchs der Kirche, an dem sich auch die Priester immer wieder messen lassen müssen.
Was würden Sie einer betroffenen Gemeinde raten: Offen darüber sprechen oder lieber Vier-Augen-Gesprächen den Vorzug geben?
Wenn mehr dahinter steckt als ein einmaliger Fehltritt des Priesters oder wenn der Fall bereits allgemein bekannt ist, würde ich offen darüber sprechen. Ich würde sagen, wie schlimm so etwas für die betroffenen Kinder ist. Ich würde aber auch zu christlichem Umgang mit dem Sünder aufrufen. Vergebung ist natürlich dann leichter, wenn der Priester die Verfehlung zugibt.
Fragen: Dorothee Wanzek
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 16.12.2005
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 16.12.2005