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Aus der Region

Der rauchende Papst

Wie das Erzgebirge den deutschen Papst würdigt

Heiner Stephani steckt den Papsträuchermännchen das Papstkreuz an, bevor sie ihre Reise nach Spanien antreten. Foto: Martin Kliemank

Olbernhau/ Deutschneudorf - Die Wahl eines Deutschen zum Papst wird als eines der prägenden Ereignisse des Jahres 2005 in die Geschichtsbücher eingehen. Im Erzgebirge wurde die Freude über den neuen Pontifex auf eigene Art und Weise verarbeitet.

Dicke Rauchschwaden quellen aus dem weit geöffneten Mund des Papstes. Langsam breitet sich ein wohliger Tannenduft im beschaulichen Laden der Drechslerei Stephani aus. "Diese Päpste sind grandios", freut sich der Auftraggeber aus Spanien mit Blick auf neun weitere etwa 30 Zentimeter große Papsträuchermännchen, die noch auf ihre Vollendung warten. Heiner Stephani, Schöpfer dieses päpstlichen Räuchermanns, umrundet freudig den Ladentisch: "Er funktioniert! Mensch, wie der raucht!" Und er fügt hinzu: "Mögen die Worte des Papstes nicht Schall und Rauch sein, sondern der Welt Frieden bringen."

Der Anstoß zur Gestaltung des Papsträuchermanns kam von Freunden aus Spanien, die Wurzeln im erzgebirgischen Olbernhau haben, erzählt Heiner Stephani. Ohne deren Bestellung wäre er nicht auf die Idee gekommen, in der evangelisch geprägten Region um Olbernhau eine solche Figur zu bauen. Nun stehen zehn weiß bemalte hölzerne Männchen in der Werkstatt. Fünf verkauft er nach Spanien. Den Rest bietet er Kunden im eigenen Verkaufsraum an und ist auf die Resonanz gespannt. "In einer Zeit von Fernsehen, Radio und Computer kann sich kaum noch einer für eine vor sich hin rauchende Figur begeistern. Vor 50 Jahren aber strahlte so ein Räuchermännchen noch Faszination aus", meint der Drechslermeister.

Hartmut Hennig, Hersteller erzgebirgischer Miniaturfiguren in Deutschneudorf, kann dagegen schon reichlich Nachfrage nach seiner sechs Zentimeter großen Papstfigur verzeichnen. Bereits die dritte Auflage wird im Geburtsort des Papstes in Marktl angeboten. Damit hatte der Chef des traditionsreichen Familienbetriebes nicht gerechnet: Bereits nach der ersten Woche waren die ersten 70 Figuren restlos verkauft.

Die Fertigung begann in beiden Betrieben mit umfassenden Recherchen zum Heiligen Vater im Internet. Unter Berücksichtigung der Formgebung, die jedem Künstler eigen ist, entstand vor der Anfertigung eines Musters eine Skizze um die Proportionen abzustimmen. "Unsere Arbeiten sind Gemeinschaftsentwicklungen," sagt Stephani über die Erzeugnisse seiner Drechslerei . "Anhand des Musters stimmen wir uns meist noch über die Farben und letzte Kleinigkeiten ab." So bekam das Replikat des Papstes charakteristisch große Ohren. Auch im Hause Hennig wird der Prototyp zunächst im Kreise der Familie kritisch beäugt. "Wir probieren zahllose Varianten um der Figur einen eigentümlichen Ausdruck zu verleihen. Bei unserer Papstminiatur sind das die segnenden Hände," erzählt Hennig vom Entstehungsprozess.

Das Drechseln von Räuchermännern, Nussknackern und anderen Gesellen aus Holz aus dem sächsischen Erzgebirge trat Mitte des 17. Jahrhunderts mit dem Versiegen der Erzvorkommen als Einnahmequelle an die Stelle des Bergbaus. Zunächst drechselten die Erzgebirgler für sich. Erst um 1850 taucht die erste Figur des Räuchermännchens im Katalog erzgebirgischer Händler auf. Die Entstehung der Räuchermännchen hängt mit der Herstellung von Räucherkerzen ab Mitte des 18. Jahrhunderts zusammen. Den Duft verbreitenden kleinen Kegeln wollte man einen schönen Träger bieten. Ihre Verbindung zu Weihnachten beziehen die Räucherkerzen aus der Erwähnung von Weihrauch im Bericht der Geburt Jesu in der Bibel als Geschenk der drei Könige. Für Myrrhe, Jasmin, Moschus, Honig oder Zimt dienen den Räucherkerzen gemahlene Holzkohle und Kartoffelstärke als Bindemittel. Am populärsten wurden die Räuchermänner mit der Verbreitung des Tabak-Konsums in Europa und der ganzen Welt.

Alle Zeit typisch war die Fertigung der Figuren in kleinen familiären Hausbetrieben. Woraus letztlich auch die Bezeichnung als Volkskunst resultiert. Diese Tradition setzt sich in Betrieben der befreundeten Holzspielzeugmacher Hartmut Hennig und Heiner Stephani fort. Um sich gegen Billigimporte aus Fernost und die wachsende Industrialisierung der Volkskunst durchzusetzen, liegt beiden Männern die Qualität der Erzeugnisse am Herzen. "Formvollendung, Detailgenauigkeit und gewissenhafte Verarbeitung haben für uns oberste Priorität", beschreibt Hennig die Fertigungskriterien. Stephani weiß, dass vieles von der Handschrift der Werkstatt abhängt. Typische Formgebung, Figurengröße, Bemalung oder Verarbeitung kann der Kenner auf Anhieb einem Stephani- Kunstwerk zuordnen. Deshalb sei es beim Absatz der Waren kaum verwunderlich, dass die mit dieser Tradition aufgewachsenen Sachsen die besten Kunden geblieben sind.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 23.12.2005

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