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Aus der Region

Ein Hauch von Heiligkeit

Die "Erbenkrippe" - Meisterwerk traditioneller nordböhmischer Krippenbaukunst

Der Kunstblumenmacher Josef Erben verstand sein Handwerk. Kunstvoll gestaltete er das Heilige Land für das Wohnzimmer. Foto: Gabriele Kliemank

Bischofswerda - Jesuiten brachten die Weihnachtskrippe nach Tschechien. Im Norden des Landes entwickelte sich daraufhin die Gestaltung ganzer Krippenlandschaften, wie die "Erbenkrippe" zeigt.

Man glaubt das Heilige Land vor sich zu sehen. Eine weite Hügellandschaft breitet sich aus – mit der Stadt Betlehem im Hintergrund, dem Hirtenfeld, der Karawane der Könige und der Geburt Jesu im Mittelpunkt – kunstvoll gestaltet vom Krippler (Krippenbauer) Josef Erben. Dieser stammt aus Schluckenau in Nordböhmen, einer Region die bekannt ist für meisterhafte Krippenbaukunst.

Die lange Tradition der Gestaltung von Weihnachtskrippen in Böhmen beruht auf tiefgreifenden historischen Ereignissen. Im Jahre 1620 gab die Niederlage Böhmens gegen die katholische Liga den Weg frei zur Rekatholisierung des Landes durch die Jesuiten, welche Weihnachtskrippen zur Bekehrung zum katholischen Glauben einsetzten. In der biblischen Geschichte von der Geburt Jesu suchten die Menschen Parallelen zu ihrem Schicksal: Armut, Angst vor der Zukunft und Hoffnung. Die Krippen ermöglichten den Menschen fast direkte Zeugen der Ereignisse in Betlehem zu werden und erinnerten sie auf lebendige Weise an die Geburt Christi. Bereits 1560 hatten die Jesuiten die erste Weihnachtskrippe Mitteleuropas in der Kirche St. Clemens in der Prager Altstadt ausgestellt. Nach der Anordnung Kaiser Josefs II. (1741–1790), die bis dahin nur in Kirchen ausgestellten Weihnachtskrippen Ende des 18. Jahrhunderts zu beseitigen, erfuhr die Krippenherstellung eine weite Verbreitung. Fortan stellten die Menschen Krippen in ihren eigenen Wohnungen auf. Interessanterweise bildete sich die Krippenbaukunst besonders dort heraus, wo kleine Textilfabriken entstanden, wie im nordböhmischen Gebiet um Schluckenau, wo die Textilarbeiter ihre Geschicklichkeit in den Krippenbau einbrachten.

Rosenstöcke werden zu Olivenbäumen

Auch Josef Erben kam sein Beruf bei der Gestaltung der Krippenlandschaft zugute. Er war Kunstblumenmacher. "Es verging kein Sonntagsspaziergang, von dem er kein neues Material für die Gestaltung der biblischen Szenen nach Hause brachte," weiß sozusagen der Erbe der "Erbenkrippe" Hubertus Wolf zu berichten. Anhand von Bildbänden über Palästina versuchte der Krippler Erben das Heilige Land so originalgetreu wie nur möglich für das weihnachtliche Wohnzimmer nachzubilden. Eichenholzstümpfe wurden getrocknet und bemalt zu Felslandschaften. Auf gesammelten Steinmoos lagern später die Hirten. Gebäude orientalischer Architektur ergeben gruppiert die Stadt Betlehem. Aus der umgedrehten Wurzel eines Rosenstocks entsteht mit in die Krone gebundener Tuja ein verblüffend ähnlicher Olivenbaum. Aus jungem Ginster bastelt Erben – Zypressen, weiterhin fertigt er Palmen, Kakteen und Agaven. So schuf er Monat für Monat, Jahr für Jahr.

Das Jesuskind über dem Ehebett

Mit dem Aufbau der Krippe begann Erben in der zweiten Adventswoche. Da wurden Möbel gerückt um Platz zu schaffen. "In seiner Heimat kam es mitunter vor, dass Familien aus Platzmangel eine Krippe über dem Ehebett aufbauten, weshalb das Ehepaar nachts still zu liegen hatte, damit das Kunstwerk keinen Schaden nahm", weiß Wolf aus den Erzählungen des Krippenbauers. Ein rückwärtiges gemaltes Landschaftsbild wird befestigt, das der Krippenlandschaft Weite verleiht. Aufgebaute Kartonagen ergeben eine unebene Fläche, auf denen Felsen, Moose und Strauchwerk platziert werden. Der Krippler bewerkstelligt durch Absieben der Kartonagen mit eingefärbten Sägespänen einen nahtlosen Übergang zwischen Unterbau und Landschaftsbild an der Wand. Seine Frau zeigte ob dieser "Schweinerei" in der Wohnung keinen Verdruss, sondern unterstützte ihren Mann bei jeder Gelegenheit mit dem Geschenk einer weiteren Krippenfigur. Diese wurden – je näher das Weihnachtsfest rückte – in der Landschaft positioniert. Am Heiligen Abend zogen dann Maria, Josef und das Jesuskind in den Stall ein.

Auf der Flucht bleibt die Krippe zurück

Ihre erste Krippe verlor Familie Erben jung. Im Zweiten Weltkrieg gerät Josef Erben in französische Kriegsgefangenschaft. Seine Frau, mit den Kindern aus der Heimat vertrieben, konnte unter dem wenigen Gepäck nur das schwarze Samttuch der Krippeneinfassung in der Hoffnung auf eine neue Krippe retten. Der Mann brachte im Entlassungsgepäck Farben zum Bemalen von Krippenfiguren mit. Die Ansiedlung vieler Schluckenauer Schnitzer in der Oberlausitz ermöglichte es der nun in Bischofswerda lebenden Familie Erben, in über 15 Jahre fleißigen Sparens die Krippe mit mehr als 100 Figuren zu bestücken Erben starb 1979 im Alter von 76 Jahren. Der Krippler hatte alljährlich seinen Nachbarn Hubertus Wolf zu Weihnachten zur Krippenschau eingeladen, was diesem das Gefühl vermittelte, sich um den Fortbestand der Krippe kümmern zu sollen. Wolf bemüht sich seitdem seiner Verpflichtung gegenüber Erbens Frau, die Krippe jedes Jahr aufzubauen, mit Unterstützung der Enkel nachzukommen und ihr ihren eigentümlichen "Hauch von Heiligkeit" zu bewahren.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 23.12.2005

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