Weihnachten und die Politik
Ein Beitrag von Pater Damian
Ich kann mir denken, dass ein Prediger in der Christmette mit dem Thema "Die politische Dimension von Weihnachten" schlecht ankommt. Die Gottesdienstbesucher erwarten doch etwas anderes, vor allem auch die, die nur an Weihnachten in die Kirche gehen: Sie möchten – wohl zu Recht – etwas für das Gemüt, etwas Wärme und Geborgenheit innerhalb einer feiernden Gemeinde erfahren und Kindheitserinnerungen aufleben lassen. Sie sind erfüllt von Sehnsucht nach einer friedvollen Welt, ganz anders, als sie jetzt ist und in den Medien dargestellt wird. Da soll man doch die Politik einmal draußen vor lassen!
Aber ist das überhaupt möglich? Die Weihnachtsgeschichten der Evangelisten Matthäus und Lukas sind ja keineswegs eine harmlose Idylle, abgehoben von der realen Welt. Lukas schildert, wie Josef und die hochschwangere Maria in das Räderwerk einer recht brutalen Bürokratie geraten: Sie müssen sich weit weg von ihrem Wohnort in die kaiserlichen Steuerlisten eintragen lassen. Und dann finden sie in Betlehem keine Unterkunft. Von "stiller Nacht‘‘ und "holdem Knaben im lockigen Haar" ist nirgendwo die Rede. Dagegen weisen Futterkrippe und Windeln auf Niedrigkeit und Armut. Jesus ist der Heiland der Not Leidenden, der Armen und Machtlosen (der Hirten). Für sie nimmt er Partei gegen die damaligen Machthaber Augustus und Quirinius.
Schon das Magnifikat Marias kündet eine Umkehrung in der Rangordnung an: "Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen" (Lk 1,52-53). "(In der Weihnachtsgeschichte) wird statt der trügerischen Pax Romana, erkauft mit erhöhten Steuern, Eskalation der Rüstung, Druck auf die Minderheiten und Wohlstands-Pessimismus mit,großer Freude‘ die wahre Pax Christi angekündigt: gründend in einer Neuordnung der zwischenmenschlichen Beziehungen im Zeichen der Menschenfreundlichkeit Gottes und des Friedens unter den Menschen. So wird denn dem politischen Heiland und der politischen Theologie des Imperium Romanum, welche die kaiserliche Friedenspolitik unterstützte, der wahre Friede entgegengehalten" (Hans Küng).
Der Evangelist Matthäus bringt eine neue politische Dimension in die Geburtsgeschichte: Der König Herodes will das Kind töten, so dass seine Eltern mit ihm nach Ägypten flüchten müssen. Die Krippe steht sozusagen im Schatten des Kreuzes. Die Verfasser der Weihnachtsgeschichten bieten keine erbauliche Erzählung, sondern wollen in theologischer Reflektion die wahre Bedeutung Jesu als Messias und Heiland der Menschheit herausstellen. Und so sind sie auch gesellschaftskritisch.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 23.12.2005