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Bistum Görlitz

Sich wortlos verstehen

Gehörlose sehen sich oft vom öffentlichen Leben ausgeschlossen

Cottbus - Gehörlose fühlen sich nicht behindert, sondern werden von ihrer Umwelt oft dazu gemacht. Die monatlichen Gehörlosentage dienen dazu, sich zu treffen und auszutauschen.

Gehörlosenseelsorge hat biblische Tradition. Jesus ermutigt den Taubstummen mit dem "Effata – Öffne dich!" (Mk 7,34) aus seiner Isolation herauszutreten und nicht mehr taub noch stumm zu sein. So geht es auf den Gehörlosentagen des Bistums Görlitz kaum schweigsam zu. Man versteht sich wortlos – durch Gebärdensprache. Das Zusammengehörigkeitsgefühl führt die etwa 30 Gehörlosen des Bistums monatlich zu ökumenischen Treffen zusammen. Was ihre hörenden Mitmenschen über die Sprache ausdrücken können, zeigen sie in herzlicher Mimik und Gestik. So liegt man sich zur Begrüßung in den Armen. "Die Verständigung und Gemeinschaft, die die Gehörlosen hier erleben, stehen im Kontrast zu ihrem Alltag, wo sie oftmals nicht verstanden werden und isoliert vom aktuellen Zeitgeschehen von der Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen sind", weiß Barbara Scheunert, die sich als Gemeindekatechetin von Calau seit Jahren in der Gehörlosenseelsorge engagiert.

Die Begegnung der Gehörlosen untereinander hilft Identität und Lebensmut zu schöpfen, um sich immer wieder neu der Anstrengung der Integration in die "hörende Welt" zu stellen. Die Rücksichtnahme der Mitmenschen gegenüber Gehörlosen ist dadurch erschwert, dass ihre Beeinträchtigung äußerlich nicht zu sehen ist. "Unsere Hörschädigung wird erst erkennbar, wenn man uns anspricht," berichtet die schwerhörige Gabriele Kostorz. Den Betreffenden direkt ansprechen, für günstige Beleuchtung sorgen, damit er von den Lippen ablesen kann, oder nachfragen, wenn etwas unverständlich ist: Alles das unterstützt den hörgeschädigten Dialogpartner. Gehörlos sein bedeutet, viel stärker auf optische Signale, visuelle Sprachformen und Kommunikationshilfen angewiesen zu sein.

Doch die Bezuschussung von Hilfsmitteln durch Staat und Krankenkassen sei in den letzten Jahren deutlich gekürzt worden, klagt Frau Kostorz. Auch ihren Arbeitsplatz habe sie verloren, da Fördergelder versiegten. Ihr Ehemann Dieter, ebenfalls schwerhörig, vertritt die Interessen Hörgeschädigter im Verband der katholischen Gehörlosen Deutschlands, dessen Hauptaufgabe darin besteht, die Zusammenarbeit der bestehenden Gehörlosenvereine und Seelsorgegemeinschaften zu fördern und in ihren Aufgaben zu unterstützen.

So werden Besinnungs- oder Familientage, Fortbildungen oder Eheseminare organisiert. Barbara Scheunert gibt zu, dass sich das Evangelium unter Hörgeschädigten schwer verkünden lässt: "Es müssen einfache, kurze Sätze formuliert werden, die sich in der Gebärdensprache unmissverständlich darstellen lassen." Trotz ihrer Beeinträchtigung wollen Gehörlose als normale Bürger angesehen werden. Sie fühlen sich nicht behindert, würden aber oft an den Rand gedrängt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 3 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 19.01.2006

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