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Anstoß

Der humane Umgang mit Mozart

Der Mensch muss zu spielen wissen

Martin Weber

"Die Welt müsste einfach mozärtlicher sein", sagte mir Herr B., ein schwer kranker Mann im Universitätskrankenhaus in Halle, wo ich im letzten Jahr drei Monate als Seelsorger tätig war. Wie so oft, wenn ich diesen Mann besuchte, kam das Gespräch auf die Musik. Und dann auch auf Mozart. Das Wort "mozärtlich" kam ihm fast beiläufig über die Lippen. Ich war ein wenig erstaunt, kannte ich dieses Wort bis dahin eher als Begriff, den sich die Werbe- und Freizeitindustrie ausgedacht hatte. Und die Einfälle der spitzfindigen Unternehmen können wir besonders in diesem Jahr, wo der 250. Geburtstag des Komponisten ausgiebig gefeiert wird, "bewundern".

Im Jubiläumsjahr haben wir es mit einem Mozart- Kult zu tun, der beinahe religiöse Züge trägt. Dieses Jubiläum treibt nun noch buntere Blüten als ehedem: Außer Mozart-Kugeln gibt es auch Mozartbier und Mozart-Schinken zu erwerben, um nur einige Kostproben der einschlägigen Kataloge zu erwähnen. Auch soll Mozarts Musik nach neuesten Studien sogar Goldfischen guttun und Kühen bei der Milchproduktion helfen.

Den ganzen Rummel um Mozart hatte "mein" Patient in Halle nicht im Sinn, als er von einer "mozärtlicheren" Welt sprach. Er wollte eigentlich nur zum Ausdruck bringen, so erzählte er mir später, dass die Musik Mozarts und auch andere Künste wie die Malerei und die Schriftstellerei, die ganze, oft so unfreundliche und unfriedliche Welt, in ein helleres Licht tauchen, ja sie letztlich menschlicher und "spielerischer" machen können.

Die Welt wird durch die Schönheit der Musik Mozarts verwandelt und damit menschlicher und "spielerischer". Eigentlich ein wunderbarer Gedanke! Besonders in Wolfgang Amadeus Mozarts Opern bewundern wir ja seine Fähigkeit, menschliche Empfindungen so unnachahmlich musikalisch auszudrücken zu können. Vielleicht können wir gerade deshalb Mozarts Musik "menschlich" nennen.

Briefe von Zeitgenossen Mozarts belegen außerdem, dass Mozart von einer unbändigen Verspieltheit und einer kindlichen Freude am Ausprobieren beseelt war. Das macht eben auch einen Menschen aus, dieser Sinn fürs Spielerische, dieses noch Staunenkönnen wie ein Kind, dachte ich mir, als ich im Spätsommer abends von Halle nach Leipzig zurückfuhr, und mir fiel ein Vers eines Liedes ein, den wir als als Pfadfinder gern gesungen haben: "Das Leben ist ein Spiel, und wer es recht zu spielen weiß, gelangt ans große Ziel". Unsere Pfadfinderträume von damals waren sicher genährt von so manchen Bilderbuchvorstellungen. Aber in ihnen lag doch etwas Unbeschwertes und Heiteres – die Welt schien so manches Mal zu schweben.

Diese Welt sehen wir als Erwachsene ganz anders. Sie versucht uns oft, ihre Spielregeln mit Gewalt aufzudrängen. Wer sich nicht an diese Spielregeln hält, kann unter die Räder kommen. Aber damit wir in dieser Welt nicht überfahren werden, denke ich immer noch gern an Herrn B., der wohl Recht hatte, als er sagte, die Welt müsste mozärtlicher werden. Und wenn wir als Menschen die Saiten dieser Welt noch besser zu spielen lernen, dann wird die Welt wirklich menschlicher. Und dann spielt diese Welt vielleicht mehr und mehr nach den Regeln Christi.

Und eine christlichere und damit auch menschlichere Welt können wir uns nicht oft genug wünschen!

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 4 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 01.02.2006

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