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Bistum Görlitz

Wenn die Narren los sind

300 Jahre Karneval in Wittichenau: Der Kolpingverein belebte einst das Faschingstreiben der Stadt

Wenn die Wittichenauer das Faschingsfieber packt, ist die ganze Stadt außer Rand und Band. In der fünften Jahreszeit werden alle Sorgen über Bord geworfen. Foto: Martin Kliemank Wittichenau - Zum Karneval steht ganz Wittichenau Kopf. Was 1706 als Winteraustreiben begann, entwickelte sich über die Jahrhunderte zu einem Riesenspektakel.

Spürbar belebt wurde der Fasching durch den 1881 gegründeten Wittichenauer Kolpingverein. Die wandernden Gesellen brachten aus dem Rheinland die Idee eines ersten Karnevalsumzugs durch Wittichenau mit. Bis zur Gründung des Karnevalsvereins im Jahre 1990 trugen sie maßgebend das närrische Treiben in der Stadt mit, stellt Bürgermeister Udo Popella (CDU) fest. "Unsere pfiffigen Ahnen haben den Karneval zum Volksfest erklärt, sodass jeder mitfeiern konnte."

So ist zu den Faschingstagen beinah ganz Wittichenau außer Rand und Band. Für den Bürgermeister des närrischen Städtchens, der seit 25 Jahren Kappenbruder ist, hängt die Entstehung dieser Karnevalshochburg auch mit dem tiefen katholischen Glauben der Einwohner zusammen. Durch den engen Kontakt der Christen untereinander konnte der Wittichenauer Fasching erst zu diesem Massenereignis werden. Noch heute birgt der Karneval eine Grundlage zum Zusammenwachsen Wittichenaus und seiner Ortsteile, ist sich das Stadtoberhaupt sicher.

Heimatfest, das Zusammenhalt vermittelt

Der Karneval steckt den Wittichenauern im Blut und scheint ihnen in die Wiege gelegt zu sein. Nicht anders ist zu erklären, dass sich bereits die Kindergärten aktiv beteiligen. Kinderprinzenpaar, sowie Schulgarde "regieren" ihre Altersgenossen.

"Während andernorts wegen Mehrkosten durch die Euro-Umstellung die Beteiligung am Fasching abnimmt, erfreut sich der Wittichenauer Karneval steigender Beliebtheit und ungebrochenen Zulaufs", bekräftigt Gottfried Glaab, der als Präsident seit 1975 dem Wittichenauer Karnevalsverein vorsteht. Er wünscht sich, dass die Begeisterung und das Engagement, das der Fasching freisetzt, auch auf anderen Ebenen Frucht bringt. Kappenbruder Udo Popella weiß, dass der Karneval vielen Heimatgefühl und Zusammenhalt vermittelt und die Wittichenauer von ihren Studien- und Ausbildungsorten wieder hierher zieht.

"Die Maskierung ist ein Ventil der Emotionen und Sorgen", meint der Wittichenauer Kaplan Roland Elsner. Hinter dem Fest der Freude verberge sich für viele auch ein Fest der Sehnsüchte. So ließen zum Karneval viele Narren ihre Träume Realität werden.

Ablassventil für Sorgen und Drangsal des Alltags

Dass der Fasching der Gesellschaft mitunter den Spiegel vorhält und auch die Politik auf die Schippe nimmt, möchte Udo Popella nicht missen. "Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, wenn nicht auch die Lokalpolitik durch den Kakao gezogen würde." So übergibt er am Rosenmontag den Rathausschlüssel an die Narren in der Überzeugung auch von ihnen noch lernen zu können: "Die Faschingstage können uns Vorbild für ein tolerantes Miteinander sein." Und Kaplan Elsner ist sich gewiss: "Der Karneval will uns lehren, Menschen mit Freude zu begeistern und den Sorgen ein Lachen entgegenzusetzen."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 22.02.2006

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