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Bistum Erfurt

Theologie studieren in Erfurt

Vier Studenten, ihre Geschichte und was sie verbindet

Erfurt - Zu DDR-Zeiten konnte in Erfurt fast nur Theologie studieren, wer Priester werden wollte. Seit 1990 ist das anders. Warum heute in Erfurt junge Menschen wissenschaftlich nach Gott fragen, was sie dabei bewegt und welche Eindrücke sie sammeln, diesen Fragen geht der Beitrag nach.

"Wer gut studieren will, der gehe nach Erfurt." Dieser immer wieder zitierte Satz gilt auch heute. Viele der Theologiestudenten in der alten Universitätsstadt jedenfalls sind davon überzeugt. Und die solide Ausbildung an der Katholisch- Theologischen Fakultät der Universität, das wunderbare Flair der alten Vorlesungsräume am Dom, das fast familiäre Miteinander zwischen Studierenden und Lehrenden im Gegensatz zum Massenbetrieb an großen Universitäten, all dies hat sich auch über die neuen Bundesländer hinaus herumgesprochen.

Zum Theologiestudium von Holland nach Erfurt

Viona Smets zum Beispiel ist eine der – wenn auch noch wenigen – Studenten aus dem Ausland. Die 22-Jährige hat gerade ein Semester lang an der Fakultät Liturgiewissenschaft, aber an der Uni auch religionswissenschaftliche und pädagogische Fächer studiert. Nach Thüringen sei sie gekommen, weil es zwischen der Theologischen Fakultät Erfurt und ihrer Heimatfakultät im niederländischen Tilburg Anfänge einer Partnerschaft gibt. Und weil sie gern den von Holland weiter entfernten Teil Deutschlands kennen lernen wollte.

Warum sie vor dreieinhalb Jahren begonnen hat, Theologie zu studieren, weiß Frau Smets gar nicht richtig zu sagen. "Ich bin katholisch, aber viele in Holland gehen nur Weihnachten und Ostern in die Kirche. Das war bei mir nicht anders." In Erfurt ist ihr deutlich geworden, "dass man nicht wirklich Theologie studieren kann, ohne eine Beziehung zum Glauben und zur Kirche zu haben". Auch die Erfahrung lebendiger Gottesdienste hat ihr dazu verholfen. Nun überlegt die junge Niederländerin, ob sie nicht anstatt Lehrerin zu werden oder einen anderen Beruf zu ergreifen in den Seelsorgedienst gehen sollte. Dies sei jedoch nur in einem Krankenhaus, im Gefängnis oder in einer Kaserne möglich. Denn den Beruf der Pastoralreferentin gebe es ihres Wissens nach in ihrer Heimatdiözese Roermond nicht, weil die Gemeinden kein Geld haben, sie zu bezahlen.

Der Priesterberuf war ein Jugendtraum

Eine andere Situation, als sie Siegfried Huber kennt. Der aus Baden stammende Priesteramtskandidat studiert ein Jahr in Erfurt. "Im Erzbistum Freiburg sind Pastoralreferenten ganz selbstverständlich integriert", sagt Huber, der es sich als künftiger Pfarrer "sehr gut vorstellen" kann, mit Pastoralreferenten im Team zusammenzuarbeiten.

Für ihn sei es ein Jugendtraum gewesen Priester zu werden, erzählt der 27-Jährige. In seiner Heimat in Oberkirch habe er eine sehr lebendige kirchliche Jugendarbeit erlebt. In der Gemeinde gab es 180 Ministranten. "Da war ich mittendrin." Als er dann Abitur machte, war das Priester-Werden "für mich jedoch kein Thema mehr", erinnert sich Huber. Der Abiturient studierte Verwaltungswissenschaften. Durch einen befreundeten Kaplan fand der ausgebildete Verwaltungswirt schließlich doch den Weg ins Priesterseminar in Freiburg.

An der Universität hörte er von Gaststudenten viel Positives über die Fakultät in Erfurt. Er begegnete Bischof Joachim Wanke beim Katholikentag. Und nicht zuletzt die Praxis der Lebenswendefeiern lockten den Priesteramtskandidaten nach Thüringen. "Ich wollte in meinen beiden Freisemestern in eine Region, die weniger volkskirchlich geprägt ist", sagt Huber.

Auch Priesteramtskandidat René Pachmann trieb es – allerdings schon vor seinem Studium – in fremde Regionen. Der Jenaer arbeitete ein Jahr in der Ukraine, wo er sich um ehemalige KZ-Häftlinge, heute alte Menschen, kümmerte. "Hier hatte ich es unter meinen Mitstreitern mit bekennenden Atheisten zu tun und habe manche Gespräche über Gott und die Welt geführt", erinnert sich der 25-Jährige. Nach Zivildienst und einer Zeit der Suche nach Gemeinschaft bei Karmeliten-Brüdern entschied er sich, in seinem Heimatbistum Erfurt Priester zu werden. "Als Seelsorger möchte ich den Menschen deutlich machen, dass Gott sie liebt", sagt Pachmann. "Das ist Aufgabe jedes Christen. Als Priester kann man mit der Verkündigung des Evangeliums, durch die Spendung der Sakramente und in der persönlichen Begegnung auf besondere Weise vermitteln: Christ sein tut gut." Damit dies mehr Menschen erkennen, müsse man möglicherweise anfangen, Kirche auf neue Art, in der Form von Glaubensgemeinschaften zu bauen, sagt René Pachmann. Eine religiös offene Grundsituation sei in der Gesellschaft doch schließlich vorhanden.

Auf diese will eines Tages auch Sarah Beer eingehen. Die Studentin des ersten Semesters möchte Religions- und Geschichtslehrerin in der Regelschule werden und studiert folglich neben Theologie auch Geschichte. Die 20-Jährige stammt aus Deutschneudorf im Erzgebirge und hat erlebt, wie sich ihre engagierte Religionslehrerin bemühte, für wenige Kinder in der Schule einen guten Unterricht anzubieten. Zugleich erfuhr sie sich als Katholikin immer wieder angefragt. "Die meisten meiner Freunde zu Hause sind atheistisch", sagt Frau Beer. Umso mehr ist sie von der Notwendigkeit überzeugt, "den Glauben in die Gesellschaft hineinzutragen".

Über den eigenen Glauben Auskunft geben können

Sie selbst hat etwa bei der Pflege ihrer Oma erlebt: "Ohne den Glauben hätten wir es nicht bewältigt, die alte Frau zu umsorgen." Das Theologiestudium erfährt die junge Frau als Hilfe, besser über den eigenen Glauben Auskunft geben zu können. Dass sie dabei mit anderen jungen Leuten wie Viona, Siegfried oder René gemeinsam auf dem Weg ist, erfährt sie als große Bereicherung.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 22.02.2006

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