Gottesdienste gehören zum Schulalltag
Erfahrungen einer Religionslehrerin
Ausgesucht hatte sie sich den Einsatzort, an dem sie seit vergangenem Sommer Katholische Religion und Französisch unterrichtet, zwar nicht. Gefreut hat sie sich aber doch, als sie nach Abschluss ihres Lehramtsstudiums an der Technischen Universität Dresden erfuhr, dass ein Referendariatsplatz an der sächsischen Landesschule für sie zur Verfügung stand.
Die Schwierigkeiten, die sie von vielen Kollegen aus dem Fach Katholische Religion kennt, hat sie selbst nicht: Der Religionsunterricht muss am St.-Afra-Gymnasium nicht um seine Existenzberechtigung kämpfen. Er wird im Blick auf das humanistische Bildungsziel der Schule keinesfalls als Fremdkörper betrachtet. Im Gegenteil hat er einen sehr guten Stand. So steht er in allen Jahrgangsstufen mit zwei Wochenstunden auf dem Stundenplan. Regelmäßig finden an der Schule auch Gottesdienste statt, die von den Schülern gut besucht werden.
Etwa die Hälfte von Katharina Schefflers Schülern ist nicht katholisch. Gerade die nicht getauften Acht- und Neuntklässler, die sie unterrichtet, interessieren sich dennoch sehr für spezifisch Katholisches. "Wie funktioniert ein katholischer Gottesdienst? Was sind Jesuiten?", sind beispielsweise Fragen, denen diese Schüler gern auf den Grund gehen. Auch wenn ihnen die katholische Kirche aus eigenem Erleben völlig fremd ist, sind sie nicht frei von Vorurteilen, zumeist gespeist aus dem intensiv genutzten Internet und aus anderen Medien. Zu Kirchengebäuden, christlichen Symbolen und Handlungen haben sie andere, zum Teil tiefgründigere Fragen als die Schüler, die aus einem christlichen Elternhaus kommen. Mitunter regen die Fragen ihrer Mitschüler die Katholiken an, ihren Glauben besser zu verstehen. "Ist Maria auch wie eine Göttin?", wollte kürzlich ein Schüler wissen, als das Gespräch im Unterricht von hinduistischen Gebetskränzen auf den katholischen Rosenkranz kam.
Neben katholischer "Exotik" stoßen all die Themen auf das Interesse der Acht- und Neuntklässler, die mit ihrer eigenen Lebenserfahrung zu tun haben, Liebe und Freundschaft etwa. Oft wird ihnen erst im Gespräch mit ihrer Lehrerin bewusst, dass die Fragen, die sie haben, auch eine religiöse Dimension haben. Katharina Scheffler ist es wichtig, dass ihre Antworten immer wissenschaftlich fundiert sind, vor allem aber, dass sie aus ihrem eigenen christlichen Erfahrungshorizont heraus kommen. "Ich darf mich als Christin nicht verstecken", betont sie. Die schönsten Momente im Unterricht sind für sie, wenn Schüler sie nach ihren Glaubenserfahrungen fragen. Sie fordert im Unterricht immer wieder dazu heraus, in religiösen, aber auch in ethischen oder politischen Themen eigene Positionen zu beziehen. Doch gerade darin empfindet sie die "Afraner" – Christen ebenso wie Schüler aus nicht christlichen Elternhäusern – vergleichsweise unsicher.
Anders als in anderen Schulen, die Katharina Scheffler kennen gelernt hat, hat der Religionsunterricht ihrer Einschätzung nach am St.-Afra-Gymnasium kaum eine soziale Funktion. Werte wie Respekt und Toleranz werden den Internatsschülern in vielen Unterrichtsfächern und im täglichen Zusammenleben nahe gebracht: "Fragt man allerdings nach, warum Toleranz oder Achtung der Menschenwürde wichtig sind, gehen den Nichtchristen oft schnell die Argumente aus."
In lockerer Folge sollen demnächst weitere Lehrer vorgestellt werden, die unter unterschiedlichen Bedingungen Katholische Religion unterrichten.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 09.03.2006