Ein Impuls zur Erneuerung spaltete die Christenheit
Kirche im Bereich des Bistums Magdeburg (2): Von der Reformation bis zur Zeit Napoleons
Weit über 1000 Jahre reicht die Geschichte christlichen Glaubens auf dem Gebiet des heutigen Bistums Magdeburg zurück. In einer vierteiligen Serie skizziert Pfarrer Peter Zülicke aus Stassfurt diese Zeit. Teil zwei beschäftigt sich mit der Zeit von Martin Luther bis zu Napoleon:
Schon sechs Jahre wirkte Martin Luther in Wittenberg - nicht nur an der Universität als Lehrer, sondern auch als Seelsorger im Beichtstuhl. Hier lernte er die falschen Vorstellungen vom christlichen Leben in den Köpfen der Leute kennen, die einen Ablassbrief erworben hatten. In marktschreierischer Art und auf Weisung von Erzbischof Al-brecht V. von Magdeburg wurden solche Briefe im nahegelegenen Jüterbog verkauft.
Martin Luther entschloss sich, dagegen vorzugehen. Am 31. Oktober 1517 schrieb er einen Brief an den Erzbischof mit der Bitte, den Ablasspredigern andere Anweisungen zu geben. Außerdem sei die Lehre vom Ablass klärungsbedürftig. Deswegen fügte er dem Brief 95 Thesen an, die er für eine gelegentliche Diskussion verfasst hatte. Diese Thesen wurden wenige Wochen später gedruckt und im Reich in Windeseile verbreitet. Sie erfuhren ein breites Echo. Fragen, Beschwerden und Vorbehalte gegenüber der Kirche, die schon lange im Volke schwelten, wurden zur Flamme. Am Ende dieser Entwicklung, die einen Impuls zur Erneuerung zum Anlass hatte, stand eine gespaltene Christenheit. Zuerst griff die neue Bewegung natürlich im damaligen Kurkreis Wittenberg um sich und wurde dort 1539 abgeschlossen (in Bitterfeld schon 1531). Das Gebiet des heutigen Bistums Magdeburg war damals im Besitz mehrerer kirchlicher und weltlicher Fürsten, für die die Glaubensfrage auch eine Machtfrage war.
Schon 1524 war Martin Luther in Magdeburg aufgetreten. Er gewann den Rat der Stadt und große Teile der Bevölkerung für die neue Lehre. Erzbischof Albrecht hielt sich zu dieser Zeit in Halle auf. Hier versuchte er - zum Teil mit Härte - gegen die Anhänger der neuen Lehre vorzugehen. Als er 1541 merkte, dass in seinem Territorium der katholische Glaube weithin nicht mehr zu halten war, zog er sich in das Erzbistum Mainz zurück, das er ebenfalls innehatte.
Der letzte katholische Erzbischof Siegismund bekannte sich 1561 offen zum evangelischen Glauben. Bis 1564 hatte sich die Reformation in seinem Gebiet weitgehend durchgesetzt. Aber es gab einige Ausnahmen. Von den 33 Klöstern im Erzbistum blieben fünf katholisch: Althaldensleben, Egeln, Meyendorf, Großammensleben und St. Agnes in Magdeburg. Diese Klöster hatten sich bereits vor Jahrzehnten in einer der Reformbewegungen erneuert. Sie waren nicht bereit, sich einer neuen Ordnung zu unterwerfen. Ihre günstige Lage in der Magdeburger Börde erlaubte es ihnen, wirtschaftlich rentabel und damit auch unabhängig zu bleiben.
Ähnlich war die Situation im Bistum Halberstadt. Auch hier war die Reformation zum Beispiel in Aschersleben schon 1527 eingeführt worden. Aber es dauerte noch einige Jahrzehnte, bis sie sich 1590 endgültig durchsetzte. Dieser Verzögerung ist es zu verdanken, dass sich auch hier zwölf Klöster in Halberstadt sowie Huysburg, Adersleben, Badersleben, Hamersleben, Hadmersleben und Hedersleben. Nach dem Westfälischen Frieden konnten sie sich darauf berufen, dass sie am festgesetzten Stichtag katholisch waren und nun auch katholisch bleiben durften.
Im Bistum Merseburg war zwar auf Druck der Fürsten die Reformation bald nach 1544 eingeführt worden. Doch das Domkapitel blieb bis zum Tod des letzten katholischen Bischofs Michael Heldung (^1561) katholisch. Ähnlich sah es im Bistum Naumburg-Zeitz aus. Der letzte katholische Bischof Julius Pflugk, ein gebildeter Theologe und Seelsorger, der auch am Konzil in Trient teilnahm, starb 1564. Damit erlosch auch hier, wie in den übrigen Territorien unseres Gebietes katholisches Leben fast ganz.
17 katholische Klöster hatten sich im ehemaligen Erzbistum Magdeburg und dem Bistum Halberstadt erhalten. Sie fanden ihren Nachwuchs in den westlich gelegenen katholischen Gebieten Deutschlands. Ihre Klosterkirchen waren auch Pfarrkirchen für die wenigen Katholiken in ihrer Umgebung. So wird zum Beispiel für 1711 festgehalten: Franziskanerkloster Halberstadt 43 Mönche, 500 Katholiken; Zisterzienserinnenkloster Magdeburg 14 Nonnen, 200 Katholiken. Von diesem Kloster wird fast 200 Jahre später vermerkt: 2500 Katholiken in den betreuten Orten Magdeburg, Frose, Salze, Schönebeck, Calbe, Gardelegen und Genthin. Die Klöster fühlten sich verantwortlich für die Katholiken, die im Laufe der Zeit in dieses Gebiet kamen. So begannen die Franziskaner von Halberstadt die Seelsorge in Halle (für Studenten), Dessau und den umliegenden Städten. Die Benediktiner von Großammensleben gingen nach Stendal, Salzwedel und Gardelegen. Manchmal waren es katholische Soldaten, für die an den Garni-sionsorten Gottesdienste gehalten wurden (beispielsweise in Burg, Aschersleben und Stendal). Kirchlich zugeordnet waren die Klöster seit 1607 der Kölner Nuntiatur. Obwohl es der brandenburgische Kurfürst und das evangelische Konsistorium nicht gerne sahen, kümmerte sich ein Beauftragter des Nuntius um sie. Im Jahr 1667 wurde von Rom aus das Apostolische Vikariat des Nordens gegründet, dem auch die Katholiken unseres Gebietes zugeordnet wurden.
Nach der französischen Revolution wurde 1803 ein Reichsgesetz erlassen (Reichsdeputationshauptschluss), dass unter anderem die Aufhebung aller Klöster vorsah. Damit hob der preußische Staat auch die Klöster in unserem Gebiet auf und nahm ihr Eigentum in Besitz. Die Pfarrgemeinden durften weiter bestehen. Die Klosterkirchen wurden ihnen überlassen. Der damalige letzte Apostolische Vikar des Nordens war der Paderborner Fürstbischof Franz Egon von Fürstenberg. Er fasste unser Gebiet 1811 verwaltungsmäßig im fürstbischöflichen Kommissariat des Elbe-Saale-Departements zusammen. Als ersten Kommissar ernannte er den Pfarrer der Huysburg Carl van Eß, der auch der letzte Prior des ehemaligen Klosters war. Als dieser den Mitbrüdern seine Ernennung mitteilte, fügte er hinzu: "Unsere, durch die Aufhebung der Klöster verwaisten Gemeinden bedürfen des Trostes der Religion vor allen unglücklichen Menschen unserer Zeit - und wir alle müssen es unsere angelegentlichste Sache sein lassen, ihnen zu zeigen, dass mit der Aufhebung der Klöster die Religion nicht aufgehoben ist, und dass das Apostelamt unter uns nicht aufgehört hat." - Diese Worte wiesen in die Zukunft.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 02.08.2001