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Aus der Region

"Die können alle sehr nett sein"

Einheimische Jugendliche und Spätaussiedler messen in Lübben ihre sportlichen Kräfte

Lübben - Die Caritas im Bistum Görlitz begleitet ein Projekt, bei dem einheimische Jugendliche und Spätaussiedler ihre Kräfte messen: im sportlichen Wettkampf.

Rund 35 Jugendliche zwischen 10 und 21 Jahren haben sich an diesem Februar-Vormittag am "Blauen Wunder", der städtischen Sporthalle in Lübben, zusammengefunden. Aber nicht, um wilde Partys zu feiern, sondern um sich im fairen Wettkampf gegenüberzustehen. Das "Boxcamp" in der Spreewaldstadt ist ein von der Caritas unterstütztes Angebot zur Verständigung und wird sowohl von einheimischen Jugendlichen als auch Spätaussiedlern besucht.

Die jungen Leute kommen von verschiedenen Vereinen aus Lübben, Fürstenwalde, Königs Wusterhausen, Cottbus und Frankfurt an der Oder. Ein besonderes Anliegen der Organisatoren ist es, einheimische Jugendliche und Spätaussiedler über das gemeinsame sportliche Hobby zusammenzubringen. Aus der Begegnung sollen gegenseitiger Respekt und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erwachsen.

Fast eine Woche lang trainierten die Mädchen und Jungen zusammen und gestalteten die Freizeit miteinander. Höhepunkt war ein gemeinsames Sportfest, bei dem es auch um Gewinner und Verlierer ging. Ein Projekt, das nicht nur in Brandenburg Schule machen könnte. Erfinder dieses außergewöhnlichen Ereignisses ist der russische Sportlehrer und frühere sowjetische Boxmeister Wassili Süß, der mit seiner deutschstämmigen Frau in die Bundesrepublik gekommen ist. "Wir haben uns überlegt, was wir tun können und wie wir die Jugendlichen zusammenbringen, ohne dass es gleich zu Auseinandersetzungen und Rivalitäten kommt", berichtet Süß von seiner Idee. "Da hat sich der sportliche Wettkampf angeboten".

Der passionierte Athlet ging auf die Suche nach Unterstützern, beim Landessportbund zum Beispiel, klopfte auch bei den kirchlichen Trägern wie Diakonie und Caritas an die Tür. "Die fanden die Idee gut, denn in Lübben hat es immer wieder Probleme zwischen einheimischen Jugendlichen und Aussiedlern gegeben."

Wichtiges Mittel der Gewaltprävention

Heute freut sich Wassili Süß darüber, dass das Projekt, das auch von der Aktion Mensch finanziell gefördert wird, von den Jugendlichen angenommen wird. "Wir beobachten, dass solche Leute, die sonst gewaltbereit und aggressiv sind, friedlich miteinander umgehen. Die können alle sehr nett sein", ist die Erfahrung des Box- Experten. Überschüssige Energien würden abgebaut, Aggressionen, die sich sonst in wilden Schlägereien entladen, kanalisiert. Wassili Süß sieht im sportlichen Wettkampf deshalb ein wichtiges Mittel der Gewaltprävention.

Das bestätigt auch die Caritas- Mitarbeiterin Yvonne Lindemann. Als Sozialarbeiterin und Streetworkerin ist sie oft an den sozialen Brennpunkten in Lübben unterwegs, kennt die Probleme der Jugendlichen. "Wenn sich Aussiedler zum Beispiel in der Schule nicht ernst genommen und ausgestoßen fühlen, birgt das immer einen Konfliktstoff", sagt Frau Lindemann. Das Boxcamp sei inzwischen "ein wichtiger Weg der Verständigung", auf dem sich die Jugendlichen kennen lernen und sogar Freundschaften schließen.

Mike Künzling, Boxtrainer aus Brandenburg an der Havel, der mit seiner Truppe nach Lübben gereist ist, hat genau das beobachtet. "Wenn die Leute beim Abendbrot zusammensitzen und versuchen, sich zu verständigen, merkt man, wie die Vorurteile langsam verschwinden. Einige werden hier zu richtigen Kumpels. Deshalb kann ich das Anliegen dieses Camps nur unterstützen." Leistungen seien für junge Menschen, die sich in einer schwierigen Phase der Entwicklung, befinden, wichtig. Ebenso die Anerkennung. Künzling: "Und wir Erwachsenen sollten uns zuerst fragen, wie wir die Jugendlichen begleiten können, bevor wir uns darüber aufregen, dass sie ausflippen."

Sportlich und im Miteinander viel gelernt

Für Sarah Mückenberger aus Lübben und Tomi Hartung aus Brandenburg hat sich das Schwitzen gelohnt, denn sie haben beim Boxkampf viel gelernt, sportlich, aber auch im Miteinander. "Wir waren Abends zusammen im Kino und haben gegrillt. Es hat wirklich Spaß gemacht", berichtet Sarah. Und Tomi, der im vergangenen Jahr deutscher Box-Vizemeister in seiner Gewichtsklasse war, will beim nächsten Mal mit seinem Verein wiederkommen, wenn es möglich ist. Für Yvonne Lindemann ist ein wichtiger Schritt in Richtung Toleranz und Verständnis getan. Dennoch muss in punkto Integration noch viel passieren, denn Vorurteile würden oft anerzogen. Auch die Eltern müssen bei der Toleranzerziehung ihren Beitrag leisten, nicht nur die Schule.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 14.04.2006

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