"Ich lasse Dich nicht fallen"
Der ökumenische Kinderkreuzweg in Görlitz führte von der Peterskirche zum Heiligen Grab
"Megaschwer, dieses Kreuz", ruft eins der Kinder, die sich zu dritt, zu viert oder zu fünft abmühen. Denn die Last der Leiden Jesu tragen sie jetzt an seiner Stelle auf dem beschwerlichen Weg von einer Station zur nächsten. In Görlitz führt der Leidensweg von der größten Görlitzer Kirche St. Peter mit den berühmten neugotischen Doppeltürmen übers Altstadtpflaster hinab in die Nikolaivorstadt und wieder hinauf bis zum Heiligen Grab, der 500 Jahre alten Kopie des einstigen Originals in Jerusalem.
"Herr, du trägst auch mich ..
Bei frischem Wind und Temperaturen um Null bleiben die wandernden 90 Kinder mit ihren Eltern viermal am Wege stehen, sprechen Fürbitten und singen: "Trägst du das Kreuz, Herr, trägst du auch mich. Liebst du den Vater, liebst du auch mich." An jeder Station rufen sie sich die biblischen Geschichten ins Gedächtnis, die sie zuvor in der Krypta als Bild, in Worten und als kleine Szene gesehen, gehört und erlebt haben. "Ich lasse dich nicht fallen", hieß der ökumenische Kinderkreuzweg in diesem Jahr. Erzählt die Bibel davon, wie Jesus dem Zachäus die Qual des Alleinseins nimmt, halten die Jungen und Mädchen vor der Seitentreppe der Peterskirche an. Geht es bei Jesus um Freundschaft, sagt eine junge Frau "wir beten für die deutsch-polnische Beziehung". Und das ist hier, wo man die Neiße nah rauschen hört, ganz konkret gemeint. Denn es haben sich nicht nur evangelische und katholische Kinder versammelt, sie kommen aus beiden Teilen der Stadt, sind polnisch oder deutsch.
"Ich bin der Jesusbäcker", sagt der Görlitzer Bäckermeister Tschirch, der an der zweiten Wegstation schon wartet. Ein Tablett mit salzigem Brot hält er bereit, von dem jedes Kind ein Stück nimmt. Nicht um satt zu werden, sondern um es mit dem Nächsten zu teilen. Und kurze Zeit nur dauert es, bis alle Jungen und Mädchen, ihre Mütter, Väter und Großeltern stückchenweise das Brot essen, das ihnen der Nachbar gibt.
Jesus verurteilte die Sünde, nie den Sünder
In der Lunitz, ein paar Meter weiter, hält der Zug ein drittes Mal. Die Geschichte von der Sünderin und wie Jesus ihr die Treue hält, hatten ein paar Kinder in der Krypta gespielt, versetzt in die Gegenwart und den Alltag einer Grundschulklasse. Die kleine Außenseiterin, des Diebstahls in der Pause bezichtigt, wurde da nicht bestraft. Schließlich habe auch Jesus nur die Sünde selbst, nicht aber den Menschen, der fehlt, verurteilt. "Es fällt manchmal schwer, Herr, auf dein Wort zu hören", betet ein Mädchen, "wir bitten dich, vergib uns unsere Schuld."
Das schwere Kreuz voran, weiter auf dem Weg, das Heilige Grab ist schon in Sicht. "Verzeih uns unseren Unglauben", heißt es an der letzten Station, bevor die Anhöhe erreicht ist. Vor der Adamskapelle bildet die Menge einen Kreis, die Kreuzträger setzen die Last ab. Alle Kinder singen ein letztes Lied. "Sind wir gemeinsam den Weg gegangen", schließt Superintendent Jan von Campenhausen, "so geht nun euren eigenen Weg unter dem Segen des Herrn."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 14.04.2006