"Bennos Heiligsprechung war keine gegenreformatorische Kampfansage"
Der neuste historische Forschungsstand zu Benno von Meißen im Jahrbuch des Meißner Domes
Benno habe im politischen Streit mehrfach die Seiten gewechselt und seine Kirche im Stich gelassen. Die ihm zugeschriebenen Wunder – nichts als "Mönchslatein". Die katholische Seite empfand dies als "Faustschlag ins Gesicht" und schoss in der Presse zurück.
Heute, im Jahr des 900. Todestages, sei der Zwist um den Heiligen ausgeräumt, sagt der Kunsthistoriker Dr. Matthias Donath. Im Vorwort zum jetzt erschienenen neuen Jahrbuch für Dom und Albrechtsburg Meißen spricht Heinrich Bohaboj, katholischer Pfarrer von St. Benno in Meißen, von dem Heiligen als "Brückenbauer": zwischen Bayern und Sachsen ebenso wie zwischen den beiden Konfessionen.
Noch unlängst hätten Historiker die Wunder um den heiligen Benno als Märchen abgetan, so Matthias Donath. "Heute werden sie als die älteste und authentischste Überlieferung angesehen. Die Wunder selbst können Historiker nicht beurteilen, sie sind mit einer religiösen Aussage verbunden. Aber die Menschen haben geglaubt, dass es Wunder gab." Später seien die Legenden um den Bischof hinzugekommen.
Um 1500 schließlich schrieb man eine Biografie Bennos, die es bis dahin nicht gab. Das hing mit seinem offiziellen Heiligsprechungsprozess zusammen. Problem allerdings, so Christoph Volkmar in dem Jahrbuch: "Über Benno von Meißen wissen wir so wenig, dass es unmöglich ist, eine auf gesicherten Daten beruhende Biografie des Heiligen zu schreiben." 1512 wurde dennoch eine "Vita Bennonis" gedruckt, gestaltet in humanistischer Manier. Man habe "ein Heiligen-Leben konstruiert, das mit der realen Person nicht viel zu tun hat", so Donath. Die Sorben-Mission Bennos beispielsweise sei nicht belegt. Auch seine Jugendzeit in Hildesheim sei ihm erst später zugesprochen worden.
Eine gegenreformatorische Kampfansage war die Heiligsprechung Bennos nicht, wissen die Historiker heute. Denn das Verfahren begann bereits Jahrzehnte vorher. Allerdings geriet die Gestalt Bennos mitten hinein in die konfessionellen Streitigkeiten. Da ging es grob zur Sache im Diskurs, wie bereits der Titel von Luthers Streitschrift von 1524 verrät: "Wider den neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden". Heute gelte die Zerstörung des Grabes Bennos im Meißner Dom 1539 – der einzige Fall von Bildersturm in Sachsen übrigens – auch unter evangelischen Theologen "als nicht zu rechtfertigende Gewalttat", so Donath. Mit mehr Gelassenheit im Verhältnis beider Konfessionen könne man heute unterscheiden, was in Bennos Leben der wahre Kern sei und was Erfindung, Mythos, Legende.
Monumenta Misnensia. Jahrbuch für Dom und Albrechtsburg zu Meißen. 9,50 Euro.
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Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 21.04.2006