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"Ach, das Kreuz ist auch von mir"

Über den Bildhauer Friedrich Schötschel

Bildhauer Friedrich Schötschel Biesenthal - "Das Fenster ist von mir - und der Tabernakel. Da ist noch eine Kirchentür: die Berufung der Apostel. Die Orgel habe ich auch entworfen und die Stühle." Friedrich Schötschel sitzt in seinem Haus im nördlich von Berlin gelegenen Biesenthal im Wohnzimmer und blättert in einem Fotoalbum mit vergilbten Blättern, von denen sich zum Teil schon die eingeklebten Bilder lösen.
Seine Werke sind für den 75-jährigen Bildhauer wie alte Bekannte. Viele hat der gebürtige Hallenser selbst fotografiert. Bis heute vervollständigt er seine Sammlung. Nicht nur zu den Altären, Marienfiguren und Taufsteinen, auch zu einigen ihrer Auftraggeber sind freundschaftliche Beziehungen entstanden, zum Beispiel zu Christian Pabel, der heute Pfarrer von Schwarzheide ist. Gemeinsam mit ihm gestaltete Friedrich Schötschel gleich mehrere Kirchen: in Eisenhüttenstadt, Ruhland, Klettwitz und Schwarzheide. Den Kontakt zu dem Geistlichen hält er bis heute - ebenso wie zu seinen Werken. Manchmal entdeckt er auch zufällig eines davon, zum Beispiel das kleine Kruzifix neben der Tür der Bernauer Herz-Jesu-Kirche, das ihm beim Hinausgehen auffällt: "Ach, das Kreuz ist auch von mir."
In mehr als 60 Orten Ostdeutschlands finden sich Werke von Friedrich Schötschel, hauptsächlich in Kirchen. Auch den ersten Bischofsstab und das zugehörige Kreuz für Bischof Rudolf Müller hat er gefertigt. Dennoch wehrt sich der Künstler dagegen, in eine bestimmte Ecke abgedrängt zu werden: So wie er als Bildhauer den ganzen Kirchenraum im Auge behielt und darauf achtete, dass Möbel, Fenster und Gebäude zusammenpassten, blickte er als katholischer Christ über die Grenzen seiner eigenen Konfession und Religion hinaus, arbeitete für die evangelische Kirche und las viel über den Buddhismus. Gerade seine frühen Marienfiguren, bei denen er die Muttergottes im Sitzen dargestellte, erinnern an behäbige, in sich ruhende Buddhastatuen. Der Künstler erklärt diese Parallele so: "Ich wollte etwas darstellen, das nach innen geht. Religion spielt sich im Menschen ab, nicht in Aktionen. Diese Wendung nach innen habe ich im Buddhismus sehr stark gefunden. "

Zweimal führte Friedrich Schötschel zu DDR-Zeiten staatliche Aufträge aus: Er schuf einen Brunnen in Berlin, für den er allerdings seine Entwürfe mehrmals überarbeiten musste. Außerdem stammt eine Bronzestatue in einem Bernauer Park von ihm. Sie zeigt einen Mann, der eine Ziege trägt. Eigentlich hätte Friedrich Schötschel einen Vertreter der unteren Klasse darstellen sollen, der sich eine Ziege halten muss, um überleben zu können. Diese Kritik an der Situation der Arbeiter im 19. Jahrhundert sei ihm jedoch zu langweilig gewesen, erklärt der Künstler. Es gelang ihm, sich mit seiner Idee gegenüber der Stadt durchzusetzen und einen Akt zu schaffen, der zeitlos die Beziehung zwischen Mensch und domestiziertem Tier illustrieren soll.

Ein anderes Mal hingegen stießen Friedrich Schötschels Vorstellungen auf Ablehnung: Der Corpus Christi, den er für die Kapelle des Wittichenauer Krankenhauses geschaffen hatte, hing nur kurze Zeit dort. Dann wurde sie abgehängt. Friedrich Schötschel steht nach wie vor zu der für seine Werke typischen "Herbheit": "Wenn Christus so unglaublich gelitten hat, um die Welt zu retten, dann ist das keine Operette."

Besondere Bedeutung hat für den Bildhauer das Deserteurdenkmal, das er Ende der 90er Jahre in Bernau geschaffen hat. In seiner Jugend war Friedrich Schötschel selbst Soldat. Mit 16 wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen, anschließend kam er zur Infanterie, danach folgte die Kriegsgefangenschaft. "Im Lager habe ich mit einer Nadel kleine Figuren aus Stein herausgekratzt", erinnert er sich, "und meine ersten Unterweisungen von mitgefangenen Bildhauern, Restauratoren und Kunstmalern erhalten."

Seine eigentliche Ausbildung begann Friedrich Schötschel 1948. Er studierte Bildhauer an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle. Sein Beruf hat ihn nie mehr losgelassen. Auch mit 75 Jahren nimmt er noch Aufträge an. Als nächstes will er in dem kleinen Atelier neben seinem Wohnhaus an einem Taufstein für die katholische Kirche in Hennigsdorf arbeiten. Ein Platz im Fotoalbum findet sich dafür dann bestimmt auch noch.

Karin Hammermaier

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 32 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 09.08.2001

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