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Bistum Erfurt

Ohne Schöpfung keine Evolution

Kreuzganggespräche in Erfurt

Erfurt - Mit Schöpfung und Evolution beschäftigten sich in diesem Jahr die Erfurter Kreuzganggespräche, veranstaltet vom Katholischen Forum und der Katholisch-Theologischen Fakultät. "Evolution setzt Schöpfung voraus" hieß das Thema des dritten Abends.

"Wer glaubt, dass die Welt von Gott geschaffen ist, hat nicht das Privileg, den Anfang beschreiben zu können", stellte der emeritierte Bonner Dogmatiker Josef Wohlmuth klar. "Doch er gehört zu denen, die ihr Vertrauen darauf setzen, dass es gut ausgeht mit der Welt. Er zählt zu denen, die auf Gott vertrauen, der Nichtdaseiendes aus dem Nichts und auch durch den Tod hindurch ins Leben erwecken kann. Insofern ist auch der Glaube an die Auferstehung Schöpfungsglaube."

Wenn heute durch die Strömung des neueren Kreationismus (Intelligent Design) wieder die Frage von Schöpfung und Evolution diskutiert werde, so sei dies vor allem eine Auseinandersetzung mit dem Darwinismus, so Wohlmuth. Bei Darwin sei es "im Grunde nur um Abwandlung und Anpassung des bereits Bestehenden gegangen, nicht um Neuschöpfung". Doch "wie die Mutationen und Selektionen geschehen sind, um Artenfülle und Variantenreichtum heraufzuführen, versetzt bis heute eher in Staunen, als dass die Erklärungen bereits hinreichend wären", so der emeritierte Dogmatiker, der Leiter der katholischen Studienstiftung Cusanuswerk ist. Die Wissenschaftsrichtung des "Intelligent Design" bezweifelt, dass der Zufall im Sinne von x-beliebig ein schlüssiges Erklärungsmodell ist. Ihr Grundsatz lautet: "Where there is design, there mast bei a designer." (Wo intelligente Muster, Gestalt, Strukturen sind, muss auch ein Gestaltgeber sein.) Die Frage sei, so Wohlmuth, ob Zufall nicht im Sinne von zu-fallen (Jean-Luc Marion) zu denken sei.

Mit dem Theologen Hans Küng unterscheidet Wohlmuth zwischen der Kernfrage nach dem Anfang, warum etwas ist und nicht nichts, und der Frage nach den Anfangsbedingungen und ihren möglichen Konsequenzen für weitere Entwicklungen. Die astrophysikalisch- evolutive Naturwissenschaft und ihre Frage nach dem kosmischen Anfang ist und muss auf kausale Erklärungen aus sein, so Wohlmuth. Damit stellt sie aber nicht die Frage der Theologie und Philosophie nach der Schöpfung. "Die Prämissen der Naturwissenschaft reichen nicht an die radikale These einer Schöpfung aus dem Nichts heran."

Philosophie und Theologie einerseits und die Naturwissenschaften andererseits gehen jedoch mit dem Instrument des menschlichen Bewusstseins an ihre Aufgabe, so Wohlmuth. Dieser Tatsache seien sich alle Wissenschaften bewusst und sehen sich der Aufgabe gegenüber, zu bedenken, was dies für ihre Erkenntnisse und für das eigene Menschsein bedeutet. Insofern stelle sich für den Naturwissenschaftler angesichts seiner Erkenntnisse im Makro- und Mikrokosmos immer auch die Frage von Theologie und Philosophie: Woher komme ich, wohin gehe ich? Wohlmuth wies hier auch auf die Aktualität des Theologen und Naturwissenschaftlers Teilhard de Chardin hin.

Mit dem jüdischen Philosophen Emmanuel Levinas hält Wohlmuth fest: Der Mensch, auch der Naturwissenschaftler, findet sich vor, ohne gefragt worden zu sein. Er erfährt sich trotz seiner Endlichkeit (So wird er, während er denkt und arbeitet, zum Beispiel immer älter.) auf Unendlichkeit angelegt und darauf, das Gute tun zu wollen. Nur die Lehre von der Schöpfung werde dieser Erfahrung gerecht. Sie mache deutlich, dass die Ursehnsucht nach dem Guten nicht aus den evolutiven Prozessen abzuleiten ist.

Von Levinas stammt in Anlehnung an die Tradition die Überlegung, Gott konnte die Welt nur schaffen, in dem er sich selbst ein Stück zurückgenommen hat. In der Folge ist auch der Mensch als Ebenbild Gottes in der Lage, sich zugunsten seiner Mitmenschen zurückzunehmen und so in der Erfahrung der Schöpfung zu leben.



Weitere Informationen

Infos: Hans Küng; Der Anfang aller Dinge, Piper 2005


Hintergrund

Lange hat es in Europa keinen ernsthaften Streit zwischen Naturwissenschaft und Religion gegeben. In den letzten Jahren hat sich die Auseinandersetzung – vor allem am Thema "Evolution und Schöpfung" – wieder entzündet. Für den Journalisten Stefan Orth (Herder-Korrespondenz) gibt es dafür mehrere Gründe. Im Rahmen der Kreuzganggespräche nannte er das allgemein erstarkende Interesse an Naturwissenschaften. Deren Fortschritte stellten den säkularen Menschen allerdings vor drängende Probleme. Mitunter nähmen Naturwissenschaft und Technik die Stelle der Religion ein. Die Naturwissenschaft trage ihrerseits zur Konfrontation bei, indem sie beispielsweise menschliches Leben auf Stoffwechsel reduziert und vor diesem Hintergrund einen eigenen Absolutheitsanspruch formuliere. Dass sich der Streit an der Frage "Evolution oder Schöpfung" zuspitze, liege an der Kränkung des Menschen durch Darwin, der ihm die Gottesebenbildlichkeit absprach. Dem jetzt durch das Stichwort "Intelligent Design" gekennzeichneten und aus den USA importierten Konflikt könne der Christ selbstbewusst entgegentreten: Der Glaube an Gott und an die Evolution ist vereinbar. Aufgabe einer aufgeklärten Theologie müsse es sein, die Naturwissenschaften in ihre Grenzen zu weisen. (mh)

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 21 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 25.05.2006

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