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Anstoß

Auf das Herz hören

Gedanken zu Pfingsten

Susanne Schneider

Kürzlich habe ich mit einer Frau gesprochen, die sich darüber beklagt, dass sie keine Orientierung findet. Schon seit einiger Zeit trägt sie eine wichtige Lebensfrage mit sich herum. Doch sie kann sich nicht entscheiden, weil die Antworten ihrer Familie in die eine Richtung gehen und die Antworten ihrer Freunde in die andere Richtung. Auf wen soll sie hören?

Die Frau hat dann behauptet, auch in der Kirche fände sie keine Hilfe: Die Kirche lasse die Gläubigen allein und gebe nicht mehr wie früher klare Anweisungen. Die Fastenpraxis sei verwässert, die Sonntagspflicht vergessen, Werte und Normen scheinen nicht mehr zu gelten.

Ich war nach dem Gespräch mit der Frau hinund hergerissen: Einerseits kann ich sie gut verstehen und hätte es auch manchmal lieber, wenn klar Position bezogen wird und man weiß, woran man ist.

Andererseits spüre ich in Gesprächen immer sehr deutlich und erlebe es auch persönlich, dass das, was dem einen hilft und nützt, für den anderen gar keine Hilfe ist und ihm vielleicht im Einzelfall sogar schaden kann.

So müssen wir in jeder Situation neu herausfinden, was gut ist. Und das Pfingstfest, so scheint mir, will uns zum eigenen Spüren, Denken und Handeln ermutigen und uns davon abhalten, uns unkritisch bestimmten Autoritäten, und seien sie noch so fromm, zu unterwerfen.

Die Frau mit ihrem Wunsch, eindeutig gesagt zu bekommen, was zu tun ist, erinnerte mich an die Jünger, die am Himmelfahrtstag etwas ratlos, unschlüssig und ziemlich verwirrt "unverwandt zum Himmel emporschauen" (Apg 1, 10). Sie sind nicht in der Lage, zu begreifen. Zwei Engel erklären ihnen das Geschehene und sagen ihnen, was sie tun sollen. Doch sie reagieren immer noch wie mit angezogener Handbremse. Sie ziehen sich in Jerusalem zurück, schließen Fenster und Türen und sind nicht in der Lage, irgendwie passend zu handeln oder ihre Furcht zu verlieren. Es fehlt die innere Motivation, die Überzeugung, die Begeisterung.

Den entscheidenden "Kick" erhalten die Jünger dann an Pfingsten, als der Heilige Geist zu ihnen kommt und sie von innen her verwandelt. Er macht aus einer verschreckten Schar eine Gemeinschaft von klaren, klugen und wirkmächtigen Aposteln. Plötzlich ist alles da, was ihnen gefehlt hat: innere Motivation, Kraft, Mut, Klarheit und Begeisterung. Auch uns ist diese Kraft des Heiligen Geistes verheißen. Er macht uns innerlich frei. Wer auf diesen Geist in seinem eigenen Herzen hört, spürt aus einer inneren Motivation heraus, was er tun soll. Der Geist kann in vielen Sprachen und bei vielen Gelegenheiten sprechen: Bei einem einsamen Spaziergang, wenn man Musik macht oder hört, beim Sport, im vertrauensvollen Gespräch, im Gottesdienst. Besonders gern kommt der Geist zu denen, die beten, meditieren und in Stille ihr Herz für ihn öffnen.

Der Geist will uns helfen, das zu erkennen, was in unserer Person angelegt ist und was Gottes Wille ist. Wenn wir uns diesem Geist überlassen, finden wir unser Wesen und unsere Bestimmung. Insofern ist der Heilige Geist eine gute Absicherung gegen jede Art von Fremdbestimmung.

So wünsche ich uns zum Pfingstfest die Kraft des Heiligen Geistes, der in unserem Herzen wohnt und uns sicher leitet.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 22 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 01.06.2006

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