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Anstoß

Das göttliche Spiel auf heiligem Rasen

Fußball und Religion

Martin Weber

Jetzt, zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, können wir sie wieder hören. Sätze wie: "Der siegbringende Treffer hat die Mannschaft erlöst" und "Die Verlierer mussten eine Kabinenpredigt über sich ergehen lassen". Nicht zuletzt werden "Pilgerfahrten in fremde Stadien" unternommen.

Oft muss ich über so manche Formulierungen des Fernsehens oder der Presse über dieses oder jene Spiel einfach nur lachen. Eines ist aber nicht von der Hand zu weisen: Der Fußballsport ist reich an religiösen Symbolen und Ritualen.

Manches mag uns Christen am Verhalten der Fußballanhänger befremdlich erscheinen, vieles ist einfach nur zum Schmunzeln. Etwa, wenn sich eine Internet-Seite als "www.Fußball-Gott.com - Erlebnisberichte vom heiligen Rasen" bezeichnet. Ein Buch nennt sich ebenfalls "Fußball-Gott. Erlebnisberichte vom heiligen Rasen". Dieses Buch hat es mir aber angetan, weil hier Fußballprofis, die zum Teil aus der Bundesliga bekannt sind, ganz unverblümt von ihrem Leben auf dem "heiligen Rasen" berichten und erläutern, warum sie tatsächlich an Gott glauben. Oft sehr unterhaltsam geschrieben, begegnet der Autor David Kadel dem "Fußball-Gott" mit einem Augenzwinkern und denkt darüber nach, wie es um die Gerechtigkeit im Fußball und im Leben bestellt ist.

Natürlich können in unserem Leben manche Dinge durcheinander geraten: Wenn wir zum Beispiel wichtige Entscheidungen aufschieben und uns lieber um Nebensächlichkeiten kümmern. Und so kann Fußball zwar auch zu einer Art Ersatzreligion werden. Aber im besten Fall hat er eben gerade nichts mit Religion und Gott zu tun. Gott ist Gott und Fußball ist Fußball. Darum eben liegt die Schönheit, die Lust am Fußballspiel gerade darin, dass sie für manche Menschen die schönste Nebensache der Welt ist.

Der Schweizer Theologe Karl Barth hat einmal gesagt, dass die Engel im Himmel, wenn Gott anwesend ist, Bach spielen. Wenn Gott dann wieder weg ist, spielen sie Mozart. Wir Christen müssen nicht jeden Moment unseres Lebens bierernst nehmen. Nicht alles ist gleich wichtig, von gleichem Ernst. In diesem Sinn dürfen wir uns an auf den ersten Blick unwichtigen und nebensächlichen Dingen durchaus freuen, manchmal auch riesig und ausgelassen – sei es nun, dass wir gerne Mozart hören oder dass wir uns ungeheuer über das entscheidende Tor von Michael Ballack freuen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 24 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.06.2006

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