Himmlischer Beistand erwünscht
Wie Pfarrer Hunold in Meiningen das Christentum wieder ins Gespräch bringt
Die neue Pietà ist fertig. Der Betstock, in dem die Darstellung der leidenden Maria mit dem gekreuzigten Jesus im Schoß ihren Platz finden wird, soll in diesen Wochen aufgestellt werden. Und für den 15. Oktober ist die Einweihung mit dem emeritierten Erfurter Weihbischof Hans-Reinhard Koch geplant. Dann wird es in Obermaßfeld- Grimmenthal in Südthüringen in der Nähe von Meiningen einen Platz geben, der an eine zwar kurze, aber bedeutende Geschichtsepisode erinnert.
50 Jahre ein bedeutender Wallfahrtsort
"Am Ende des Mittelalters war Grimmenthal für etwa 50 Jahre einer der bedeutendsten deutschen Wallfahrtsorte", sagt der katholische Pfarrer von Meiningen, Wolfgang Hunold. Der zu seiner Gemeinde gehörende Historiker Dr. Johannes Mötsch, Leiter des Thüringer Staatsarchives Meiningen, hat die Geschichte dieser Wallfahrt erforscht. 1498 war in Grimmenthal eine Wallfahrtskapelle errichtet worden. Grund war ein angeblich wunderwirkendes Marienbild.
Die Wallfahrt zog Pilger aus ganz Deutschland an, ein noch heute vorhandenes Mirakelbuch, das von den Wundern berichtet, gibt davon Zeugnis. Mit den Wallfahrern kam für die ganze Region ein wirtschaftlicher Aufschwung. Manche Bauwerke zeugen davon heute noch: So wurde beispielsweise die Obermaßfelder Werrabrücke von den Einnahmen errichtet. Mit der Reformation fand die Wallfahrt ein jähes Ende. Martin Luther wetterte gegen den "Betrug des Teufels mit der Wallfahrt in Grimmenthal". Es dauerte nur zwei Jahre, und die Wallfahrt gab es nicht mehr. Das war um 1536.
Heute hat sich das Verhältnis der evangelischen Christen in der Region zur Grimmenthaler Wallfahrt geändert. Neben Pfarrer Hunold gehören auch Vertreter der evangelischen Konfession und Konfessionslose zur "Interessengemeinschaft Grimmenthaler Wallfahrt", die sich vor einem halben Jahr gegründet hat. Der Verein will zunächste einmal mit dem Betstock an die Geschichte erinnern, denn sonst gibt es an der Stelle, wo einst die Wallfahrtskirche stand, kaum noch bauliche Zeugnisse. Pfarrer Hunold freut sich, dass die evangelische Pfarrerin und der ganze Ort diese Idee mittragen. Der ökumenische Gottesdienst zu Pfingsten war ein Zeichen dafür.
Warum ist Pfarrer Hunold die Erinnerung an diese Geschichte so wichtig? "Von den 22 000 Meiningern sind etwa 1400 katholisch, knapp 5000 evangelisch und 1000 gehören anderen christlichen Gemeinschaften an. Das heißt über 10 000 Meininger sind ungetauft. Und diese möchte ich auf unsere christliche Geschichte und die von daher geprägt Kultur hinweisen", heißt die Antwort. Und: "Vor allem die christlichen Wurzeln in unserer Geschichte können in einer kurzatmigen Zeit, in der fast alles vor dem wirtschaftlichen Hintergrund gesehen wird, hilfreich sein." Dabei möchte er auch das Bild vom Christentum korrigieren, das nach wie vor in den Köpfen vieler hängt, die durch das DDR-Bildungssystem gegangen sind.
Heinrich II. als Stadtpatron von Meiningen
Nicht nur die Erinnerung an die alte Wallfahrt nutzt er dafür. "Bei der Fronleichnamsprozession beispielsweise gehen wir bewusst in die Öffentlichkeit – auf den Marktplatz. Da bleiben die Menschen stehen, andere gucken hinter den Gardinen und sagen sich: Die kennen wir doch. Was machen die da? Warum gehen die da mit?" Ein wenig bedauert Pfarrer Hunold deshalb, dass es bisher nicht gelungen ist, eine ökumenische Fronleichnamsprozession auf die Beine zu stellen – als gemeinsames christliches Zeugnis.
Die Reaktionen in der Öffentlichkeit sind Interesse und Wohlwollen. Die Überschrift eines Artikels, der über ein weiteres Vorhaben berichtete, hieß: "Himmlischer Beistand sehr erwünscht". Pfarrer Hunold hatte nämlich vor einem Jahr die Idee, Meiningen einen Stadtpatron zu geben. Ein Heiliger, der sich dafür eignet, war schnell gefunden. Vor der Stadtkirche auf der Säule am Brunnen steht die Figur Kaiser Heinrichs II., der in der Hand die Stadtkirche trägt. Heinrich II. hat im Jahr 1008 das Bistum Würzburg gegründet, zu dem Meiningen lange gehörte. Die Meininger, so zumindest lässt sich aus dem Echo in der lokalen Presse schließen, finden die Idee eines Stadtpatrons nicht schlecht. Leserbriefschreiber zeigten sich sehr einverstanden und baten den Pfarrer: Treiben Sie das Anliegen voran und machen Sie noch mehr. Am Fest des heiligen Heinrich, dem 13. Juli, gab es nun nach dem Gottesdienst in der katholischen Pfarrkirche ein kleines Gedenken am Heinrichsbrunnen auf dem Marktplatz.
Alle diese Aktionen, so wünscht es sich der Pfarrer, sollen die nichtchristlichen Menschen neugierig machen. "Ich möchte, dass die Leute wieder Fragen stellen: Was macht ihr als Christen? Warum macht ihr das? Und ist das etwas, was heute noch Bedeutung hat?" Wenn das geschieht, sei viel erreicht. "Was dann daraus wird, liegt auch in Gottes Hand".
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 20.07.2006