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Anstoß

Gewehre, die in jedes Haus gehören

Es einmal anders versuchen

Guido Erbrich

"Das ist doch ein Lebendschießgewehr", sagte meine kleine Tochter als ich ihr den Holzstock mit dem sie durch die Gegend ballerte, gerade wegnehmen wollte. Meine ungläubigen Augen können Sie sich vielleicht vorstellen. "Pass mal auf", sagte sie. "Peng – dort krabbelt jetzt ein Käfer! Bumm – hier lebt es jetzt im Wasser! Krach – schau mal wie der Vogel fliegt!"

Ein Lebendschießgewehr, dafür sollte sie den Nobelpreis bekommen. Neben ihrer Idee begeistert mich der Blickrichtungswechsel. Mit so einer Knarre muss ich nicht darauf schauen, was ich zerstören will, sondern brauche den Blick dafür, wo Leben nötig ist. Und ich muss sorgsam sein, damit ich meine kostbare Munition nicht sinnlos verballere.

Bei all den Konflikten, die in dieser Welt toben: Was wäre wohl los, wenn eine der verfeindeten Parteien anfinge, mit solchen Gewehren zu schießen, anstatt immer von Neuem eins draufzugeben. Was würden die Nachrichten bringen, wenn jemand etwas völlig Unerwartetes versucht, das den Weg zum Frieden freimacht. Träumereien von Kindern?

So ganz leicht lässt sich das nicht abtun. Auch die Bibel kennt utopisch anmutende Friedensvisionen, die einem Lebendschießgewehr in nichts nachstehen. Im Alten Testament ist von Löwen zu lesen, die friedlich bei den Schafen liegen und von Kindern, die mit Nattern spielen. Im Neuen Testament empfiehlt Jesus, wenn man einen Schlag bekommen hat, nicht mit dem nächsten in die Magengrube zu antworten, sondern die andere Seite hinzuhalten. Die Bibel zeigt sowohl die Vision, wie auch den Weg, der zum Frieden führt. Der hat viel mit Zurückstecken zu tun. Um Frieden zu bekommen, muss dem Konflikt mit anderen Mitteln beizukommen sein als mit Retourkutschen.

Schöne Bilder – im realen Leben unbrauchbar? Die mutigen Inder um Mahatma Gandhi und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung haben das vorgemacht. Die friedliche Revolution der DDR, die viel mehr war als eine Wende. Ungewohnte Herangehensweisen. Denn Gewalt erzeugt Gegengewalt, Verletzungen und Rachegelüste. Wenn Frieden langfristig eine Chance haben soll, ist der einzige Weg, der dahin führt, nur mit friedlichen Mitteln zu erreichen.

Hier tut der Blickwechsel not. Wie beim Lebendschießgewehr. Zerstörte Orte, massenhaftes Leid und zerstörtes Leben gibt es genug – es einmal anders zu versuchen, wäre eine Chance. Am Anfang steht eine Vision. Es sind die Kinder und Schwachen, die sie träumen, es sind die wirklich Großen und Starken, die sie leben.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 31 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 03.08.2006

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