"Opfer seiner 'Schwarzarbeit' wurde..."
Zu DDR-Zeiten hatte das Bistum Görlitz einen eigenen Nachrichtendienst
Den flotten Stift in der Hand, aber nicht die Schere im Kopf, hatte Pfarrer Rudolf Bernhardt (gestorben 1989), als er die ersten Seiten eines für damalige Verhältnisse erstaunlichen Nachrichtenmagazins verfasste. "Zwischen Görlitz und Storkow geschehen" hieß das interne Informationsblatt, das ab 1965 vom Seelsorgeamt herausgegeben wurde. Dabei bewegte es sich auf dünnem Eis, denn die DDR-Behörden beobachteten mit Argusaugen jede kirchliche Veröffentlichung.
Was Pfarrer Bernhardt und andere Autoren aufschrieben, waren nette Plauderein über kirchliche Ereignisse, die nicht nur journalistischen Witz hatten, sondern auch Informationen boten, die sonst verborgen geblieben wären. Freilich würde sich jeder Zeitungsmacher heute die Haare raufen: Auf "Ormig" abgezogen, später kopiert, gelangten die drei bis vier Seiten starken Blätter meist per Boten in die Pfarrhäuser. Ein Teil davon liegt heute im Archiv des Bistums Görlitz.
Manches scheint nicht mehr wahr zu sein
Wer darin stöbert, kann ein Schmunzeln nicht zurückhalten. Manches scheint einfach nicht mehr wahr zu sein. So heißt es in der zweiten Ausgabe von 1965 unter der Rubrik "Bausorgen": "In Wilhelm-Pieck-Stadt Guben soll nun endlich eine Kirche gebaut werden. Die Stadt wächst, mit ihr die Gemeinde. Die kleine ,Hauskapelle‘ kann die Zahl der Gläubigen nicht mehr fassen." Und unter der Rubrik "Baufreuden" kann man lesen, dass die Kirchenrenovation in Golzow "rüstig voranschreitet".
Über die Bibeltage von "23 Jungmännern und Mädchen" zwischen Weihnachten und Neujahr in Jauernick kann sich der Leser ebenso informieren wie über den Mangel an Seelsorgehelferinnen. Und das hat es auch gegeben: "Macht weiter euer Herz ... So stand als Thema über der Frauenwallfahrt, die im Juli 1700 Mütter und berufstätige Frauen auf die Beine brachte ..."
Nachrichtenwert hatten für den Redakteur auch "klerikale Unfälle", die aber glimpflich abgingen. In der ersten Ausgabe von 1967 heißt es: "Glatteis und ein Baum wurden Kaplan Schmidt (Wittichenau) und Kaplan Quack (W.-P.-St. Guben) zum Verhängnis. Es gab viele Blechbeulen am PKW und – Gott sei Dank – nur einige Schrammen am Lebendigen." Bauvorhaben waren immer wieder Thema im Görlitzer Informationsblatt, wobei es auch über manches Missgeschick zu berichten gab: "Opfer seiner ,Schwarzarbeit‘", so heißt es in einer Ausgabe von 1968, "wurde Diözesanjugendseelorger Trzewik. Er nahm die Finger nicht rechtzeitig von der Stelle weg, auf die ein Eisenträger in Neuhausen fallen wollte. Er hörte die Engel außerhalb der Weihnachtszeit singen und bot für einige Wochen ein Bild, das alle, die es sahen, zu brüderlichem Mitleid bewegte."
Fußball stand auch 1968 ganz oben auf der Nachrichtenliste. Der Autor des Berichtes von der Ministrantenwallfahrt will erfahren haben, dass Wittichenau nur durch "Schiebung" den ersten Platz beim Fußball-Turnier gewann. Er deklarierte dies aber als "inoffizielle Mitteilung", da er am Leben bleiben wolle. Später hießen diese Informationen "Familiennachrichten" und wurden den Amtsblättern beiglegt. 1986 brechen die Aufzeichnungen ab.
Informationen
Infos beim Diözesanarchiv in Görlitz
Tel. (0 35 81) - 47 82 39, Dr. Winfried Töpler
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 17.08.2006