Aus der Region
Die Gemeinschaft mit Christus spüren
Interview mit dem Erzbischof von München, Kardinal Friedrich Wetter
Pater v. Gemmingen: Herr Kardinal Wetter, was wünschen Sie sich von diesem Besuch des Heiligen Vaters in München? Was soll dabei herauskommen, wenn es ganz gut geht.
- Kardinal Wetter: Dieser Besuch soll ein Fest des Glaubens werden. Die Menschen sollen spüren, was Kirche ist: Gemeinschaft mit dem Papst, aber hinter dieser Gemeinschaft mit dem Papst steht die Gemeinschaft mit Christus. Wir wollen auch bei dem großen Gottesdienst das "Enghauser Kreuz" aufstellen. Das ist ja vor kurzem restauriert worden, und dabei hat man entdeckt, dass es das älteste Großkreuz Europas ist. Es stammt aus der Zeit zwischen 890 bis 900. Und das ist ja ein Zeichen und Zeugnis des Glaubens in unserem Land. Und dieser Glaube hat dieses Land durch über ein Jahrtausend geprägt. Das soll hier deutlich werden. Und ich meine, dass dieser Besuch des heiligen Vaters etwas von dieser Glaubenskraft zeigen soll und natürlich auch für die Leute, die hierher kommen, eine Stärkung des Glaubens mit sich bringt.
Pater v. Gemmingen: Herr Kardinal Wetter, die katholische Kirche in Deutschland hat sicher Stärken: unsere Gottesdienste sind gepflegt, wir haben viele Ministranten. Aber es gibt vielleicht auch ein paar Schwächen. Welche von ihnen sollten vielleicht durch den Papstbesuch angesprochen werden?
- Kardinal Wetter: Wenn ich die Schwächen anschaue, dann konzentrieren sie sich wohl auf das Wort "Säkularisierung" der Kirche. Wir dürfen uns nicht verbürgerlichen. Denn dann werden wir schwach, und man sieht dann nicht mehr das Spezifische des Christseins. Das scheint mir d i e große Aufgabe zu sein. Auf der einen Seite offen zu sein für die Welt, aber auch Flagge zu zeigen, dass das Besondere des Christseins hier deutlich wird.
Pater v. Gemmingen: Wo zeigt sich die Säkularisierung? Was müsste man gegen sie tun?
- Kardinal Wetter: In erster Linie müsste man den Glauben so verkündigen, dass es ins Wesentliche geht. Der Heilige Vater tut das ja in einer Weise, die sehr schön ist und ankommt. Erstens geht es also um Glaubensverkündigung. Die Kirche hat sich immer nur durch sie erneuert und zweitens durch eine Feier des Gottesdienstes, die nicht nur eine Zusammenkunft ist, um sich etwa seelisch erheben zu lassen. Der Gottesdienst muss eine Begegnung mit dem gegenwärtigen Christus werden. Wenn ich die Kirchengeschichte recht verstehe, hat es eine Erneuerung der Kirche immer nur gegeben im Zusammenhang mit der Erneuerung des Gottesdienstes. Und Erneuerung des Gottesdienstes heißt: nicht nur rubrizistische Änderungen, sondern eine so lebendige Feier des Gottesdienstes, dass sie wirklich eine Begegnung mit dem auferstandenen Christus ist. Wenn der Jude in den Tempel kam, dann erschien er vor dem Angesicht Gottes. Das muss uns wieder deutlich werden, dass wir vor Gottes Angesicht stehen.
Das Interview führte Ihr Pater Eberhard von Gemmingen SJ
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Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 33 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 23.08.2006
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 23.08.2006