844 Jahre Geschichte
Ausstellung über das Heilige Römische Reich
Als Otto der Große 962 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, begann eine Geschichtsepoche, die 844 Jahre dauern würde und in der Otto und 32 ihm nachfolgende Kaiser die Geschicke des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation prägen sollten. Diese Zeit ins öffentliche Bewusstsein zu holen, ist jetzt das Verdienst einer Doppelausstellung, die bis 10. Dezember in Magdeburg und Berlin gezeigt wird. Unter dem Titel "Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 962 bis 1806" widmet sich das Kulturhistorische Museum Magdeburg der Zeit von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters. Das Deutsche Historische Museum in Berlin blickt unter dem Motto "Altes Reich und neue Staaten" auf die Jahre von 1495 bis 1806. Konkreter Anlass der Ausstellung ist der 200. Jahrestag des Endes des Reiches. Am 6. August 1806 legte Kaiser Franz II. die Krone nieder und erklärte das Reich für erloschen.
1000 Schätze von Leihgebern aus aller Welt
Die Ausstellung vereint gleich mehrere Superlative: Zum ersten Mal wurde eine so umfassende Geschichtsepoche zum Thema einer Ausstellung gemacht. Zu leisten war das nur durch die Zusammenarbeit der Museen in Magdeburg und Berlin. Und gezeigt werden dabei an beiden Orten zusammen fast 1000 Exponate, die Leihgeber aus aller Welt zur Verfügung gestellt haben. Dass diese ihre Schätze, die teilweise über Jahre nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen waren, zur Verfügung gestellt haben, ist auch dem Titel "29. Ausstellung des Europarates" zu verdanken, den die Schau tragen darf.
Mit diesem Titel wird deutlich, dass es den Ausstellungsmachern nicht nur um deutsche Geschichte geht. Das Reich, zu dem auch Gebiete gehörten, die heute in Polen, Tschechien, den Beneluxländern, Frankreich und Italien liegen, hat die europäische Geschichte geprägt. Europarats-Vertreterin Irene Weidmann: "Die Ausstellung erlaubt es, anhand von beinahe 1000 Jahren Geschichte zu verstehen, welches die historischen Wurzeln sind, die unser heutiges politisches und kulturelles Gebilde in Europa geprägt haben".
Zwar kann das Heilige Römische Reich kein konkretes Modell für das moderne Europa sein, dennoch ist die Erinnerung daran heute durchaus hilfreich, denn: "Das Heilige Römische Reich war multikulturell, multireligiös, multinational und vielsprachig. An der Spitze stand ein gewählter Herrscher und die politische Entscheidungsgewalt war auf verschiedene Ebenen verteilt", betont der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Hans Ottomeyer.
Im Miteinander der kleinen und kleinsten Fürstentümer sieht Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz einen Grund für die kulturelle Vielfalt heute. "Unsere Kulturlandschaft hat ihre Wurzeln im Heiligen Römischen Reich."
Ein Fundament, auf dem wir heute stehen
Auf andere, nämlich die jüdisch- christlichen Wurzeln, wies Magdeburgs katholischer Bischof Gerhard Feige hin: Wer das Heilige Römische Reich Deutscher Nation verstehen will, komme an dessen religiöser Ausrichtung nicht vorbei. Das Christentum sei "ein Fundament, auf dem wir stehen und auf dem wir weiterbauen müssen, wenn wir unsere Zukunft in einem gemeinsamen Europa und bei zunehmender Globalisierung verantwortungsbewusst gestalten wollen".
Der Magdeburger Ausstellungsteil beginnt mit einem Blick auf die historischen Vorbilder und führt dann chronologisch durch Geschichte und Kultur des Reiches. Die einzelnen Abteilungen orientieren sich an den fünf bedeutendsten Herrscherdynastien – von den Ottonen bis zu den Habsburgern. Dazu kommen jeweils thematische Schwerpunkte wie das "Heilige Reich" im Zusammenhang mit den Staufern. Zu den bedeutendsten Exponaten in Magdeburg gehört der Codex Manesse, eine mittelhochdeutsche Liedersammlung aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in dem unter anderem Werke von Walther von der Vogelweide enthalten sind. Der Codex ist erstmals nach 15 Jahren wieder öffentlich zu sehen. Ein weiteres herausragendes Ausstellungsstück ist der Nürnberger Heiltumsschrein, der zur Aufbewahrung der Reichskleinodien diente.
Die Berliner Ausstellung setzt ein, wo die Magdeburger endet. Im Zentrum stehen die Ereignisse des Jahres 1806. Mit Blick darauf wird auch hier chronologisch und thematisch die Entwicklung des Alten Reiches mit der zentralen Figur des Kaisers geschildert. In die Galerie von 16 Kaiserpersönlichkeiten jener Zeit sind Themen wie das Leben im Reich, seine Strukturen und Zeremonien eingebettet. Zum anderen aber blickt die Berliner Ausstellung auch auf die Entwicklung der neuen souveränen Nationalstaaten, die nach 1806 entstanden und die Gestalt Europas bis heute prägen. In Berlin zu sehen sind eine Bronzebüste Kaiser Karls V. sowie die Darstellung der Kaiserkrönung Karls V. auf einem kolorierten Holzschnitt. Zu den herausragenden Exponaten gehört außerdem die Abdankungsurkunde von Kaiser Franz II. Mit seiner Unterschrift darunter besiegelte er das Ende des 844 Jahre währenden Reiches.
Hinweis
Die Ausstellungen waren bis 10. Dezember 2006 in Magdeburg und in Berlin zu sehen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Samstag, 09.09.2006