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Aus der Region

Echte Gemeinschaft in Vielfalt

Magdeburg: Tagung zur Rolle der Christen im Prozess der europäischen Einigung

Kaiser Otto I. (Bernd Götz) offenbart seinem Lieblingspatron, dem heiligen Mauritius, seinen Traum von einem christlichen Europa. Unter den Zuhörern beim Europatag in Magdeburg: Weihbischof Grothe (Paderborn), Bischof Matulaitis (Kaisiadorys), Bischof Feige (Magdeburg), Erzbischof Muszynski (Gniezno), Altbischof Nowak (Magdeburg), Bischof Duka (Hradec Králové), Bischof Kryk (Apostolische Exarchie, München). Foto: Eckhard Pohl Magdeburg - Welche Rolle kommt den Christen bei der Schaffung eines geeinten Europas zu? Diese Frage stand über einem Europatag, zu dem das Bistum Magdeburg am 2. September nach Magdeburg eingeladen hatte.

Die Tagung fand im Zusammenhang mit der in der Stadt Ottos des Großen gezeigten Europaratsausstellung "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962– 1806" statt. Den Auftakt bildete eine szenische Darstellung: Kaiser Otto I. (Schauspieler Bernd Götz) erzählt seinem Lieblingspatron, dem heiligen Mauritius (Travis Hein, ein dunkelheutiger Junge) von seinem Traum eines geeinten christlichen Europas.

Für den Hauptreferenten und Erzbischof von Gnesen, Henryk Muszynski, lässt sich die Aufgabe der Christen beim Bau eines geeinten Europa in fünf Punkten zusammenfassen: Schutz und Förderung der unveräußerlichen Würde des menschlichen Lebens (einschließlich medizinethischer Aspekte), Schutz und Förderung der Ehe und Familie als dauerhafte Gemeinschaft zwischen Mann und Frau, in der Kinder aufwachsen, Beförderung einer Kultur der Freiheit und Förderung einer Solidarität des Geistes der Versöhnung und des Friedens unter den Völkern sowie eines offenen Dialogs nicht zuletzt mit nichtgläubigen Menschen.

Den anderen verstehen und eigene Identität bezeugen

Der Erzbischof sieht im Engagement für diese zentralen Aspekte und Werte menschlichen Lebens durchaus Chancen, auch mit Nichtchristen in einen echten Dialog einzutreten. Dabei könnten Vertrauen wachsen und Fortschritte gemacht werden, die dem Wohl aller Menschen dienen. Das Denken vieler nichtreligiöser Menschen sei zwar "ein Denken ohne Gott, aber keines gegen Gott". Unter Dialog versteht Muszynski, "den anderen so zu verstehen, wie er sich selbst versteht" und ihm ein klares "Zeugnis der eigenen Identität" zu geben.

Die Diakonie stellt für den Erzbischof "nicht selten die einzig verstandene Form der Evangelisierung" dar. Muszynski zeigte sich davon überzeugt, die Zukunft des Christentums werde sich an der herrschenden Kultur entscheiden. Liebe und Glaube müssten wesentliche Merkmale sein. Nicht die Sitten, nicht einzelne Fragen der Moral seien das Entscheidende, sondern der Glaube. "Die Kirche sollte deshalb sehr am Glauben arbeiten. Denn der Glaube ist das Band, das uns verbindet", so der Gnesener Erzbischof.

Hacik Rafi Gazer von der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg machte nachdrücklich deutlich, dass die Völker im Osten und Südosten des Kontinents ganz selbstverständlich zu Europa gehören und schon immer ihren Einfluss auf das gesamte Europa ausgeübt haben. Es gibt nicht wertvollere Teile und weniger wertvolle Teile von Europa, so Gazer, der in Istanbul geboren armenischer Herkunft ist. Für den Wissenschaftler muss es bei der Schaffung des geeinten Europas um die Durchdringung nationaler Traditionen gehen. Gazer spricht in diesem Zusammenhang von der Marmorisierung der Traditionen. Er erinnerte auch an das Wort Johannes Pauls II. der wiederholt betonte, Europa müsse mit seinen zwei Lungen, der west- und der ostkirchlichen atmen. "Was wir brauchen, ist eine Offenheit und harmonische Gemeinschaft in der Vielfalt", so Gazer. Wichtiger Beitrag der Christen in dieser Hinsicht sei die Dritte Ökumenische Versammlung, die 2007 im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) stattfindet.

Über soziale Herausforderungen als Beitrag der Christen Frankreichs für ein geeintes Europa und eine friedliche Welt sprach Père Bruno Delaroche aus der Diözese Le Mans. Delaroche berichtete von der Arbeit christlicher Sozialarbeiter und Seelsorger unter den oft islamischen Jugendlichen, die im vergangenen Jahr in den Vorstädten Frankreichs mit Protesten und Gewalt auf ihre Lage aufmerksam gemacht hatten. Dort, wo christliche und muslimische Gemeinden zusammenarbeiteten, gelinge am ehesten ein friedliches Miteinander, sagte der Seelsorger.

Der Glaube kann Europa eine Seele geben

Der Europaminister und Chef der Staatskanzlei von Sachsen- Anhalt, Staatsminister Rainer Robra, bescheinigte der katholischen Kirche, die Bemühungen um eine europäische Integration "von Anfang an konstruktiv begleitet zu haben". Wenn es darum gehe, wie es einmal Jacques Delors als Präsident der Europäischen Kommission formuliert hatte, Europa eine Seele zu geben, so Robra, so spielten "Kirche und Religion dabei eine wichtige Rolle".

Am Abend führten der Direktor des Kulturhistorischen Museums Magdeburg, Matthias Puhle, und einige seiner Mitarbeiter die rund 100 Teilnehmer der Tagung durch die Europaratsausstellung, die sich dem rund 800 Jahre währenden Reich widmet, in dem erhebliche Teile Europas vereint waren.


Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 37 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 15.09.2006

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